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Erweiterte Aufgaben des Bundesamts für Justiz im internationalen Sorgerecht

Ausgabedatum 01.08.2022

Bonn. Ab dem 1. August 2022 gelangen im internationalen Familienrecht neue Regeln zur Anwendung. Die EU-Verordnung 2019/1111 ist anwendbar. Mit den neuen Regelungen wird auch die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten im internationalen Sorgerecht gestärkt. Das Bundesamt für Justiz (BfJ) als deutsche Zentrale Behörde im internationalen Sorgerecht erhält damit erweiterte Aufgaben.

Abbildung des Gebäudes des Bundesamts für Justiz
Das Bundesamt für Justiz in Bonn erhält erweiterte Aufgaben im Bereich des internationalen Sorgerechts. Quelle: Bundesamt für Justiz

Die Verordnung (EU) 2019/111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen – kurz: "Brüssel-IIb-Verordnung" – ist die Neufassung der bisherigen "Brüssel-IIa-Verordnung". Sie gilt im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) für Verfahren, die ab dem Stichtag 1. August 2022 eingeleitet werden. Die neue Verordnung bringt wesentliche Neuerungen für das internationale Familienrecht innerhalb der Europäischen Union. Insbesondere erleichtert sie die grenzüberschreitende Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung. Gleichzeitig wird die grenzüberschreitende Kommunikation in internationalen Kindschaftskonflikten noch weitgehender als bislang über die Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten kanalisiert. Hiervon profitieren Gerichte und Behörden sowie die Träger der elterlichen Verantwortung im Anwendungsbereich der Verordnung. Zudem ergänzt die Verordnung das Haager Kindesentführungsübereinkommen von 1980 (HKÜ). Auf nationaler Ebene wurden die Vorschriften des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG) an die neuen Regelungen angepasst.

Aufgaben der Zentralen Behörden

Die Verordnung vertieft das bestehende System der Zusammenarbeit zwischen Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten. Ein solches System hat sich international bewährt, um die grenzüberschreitende Kooperation zu stärken. Die Zentralen Behörden arbeiten zusammen und fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Gerichte und Behörden ihrer Mitgliedstaaten, um die Ziele der Verordnung zu verwirklichen. So leisten die Zentralen Behörden praktische Hilfestellung in konkreten Einzelfällen, indem sie z. B. die Ermittlung des Aufenthalts des Kindes unterstützen, die gütliche Einigung zwischen den Trägern der elterlichen Verantwortung fördern, Informationen betreffend die Anerkennung und Vollstreckung bereitstellen, die Kommunikation zwischen Gerichten und Behörden erleichtern oder Informationen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung einholen und austauschen. Deutsche Zentrale Behörde ist das BfJ.

Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Kindesentführungsfällen

Die Brüssel-IIb-Verordnung ergänzt im Bereich der internationalen Kindesentführung innerhalb der EU das HKÜ. Nach dem HKÜ unterstützt das BfJ als deutsche Zentrale Behörde die Rückführung entführter oder unrechtmäßig zurückgehaltener Kinder. Wird ein Kind in einen anderen Vertragsstaat entführt, kann der hier zurückgelassene Elternteil sich mit dem Antrag an das BfJ wenden, ihn bei der Rückführung des Kindes zu unterstützen. Umgekehrt gilt das BfJ bei einer Entführung eines Kindes nach Deutschland als bevollmächtigt, für Antragstellende aus anderen Vertragsstaaten in Deutschland gerichtlich und außergerichtlich tätig zu werden. Die Brüssel-IIb-Verordnung beschleunigt dieses zivilrechtliche Rückführungsverfahren. Dazu gehören enge Fristen für die Gerichte und die Zentralen Behörden. Weiter können die Zentralen Behörden verstärkt zur Unterstützung der Gerichte einbezogen werden. In der Praxis betrifft dies z. B. Fragen der anderweitigen Rechtshängigkeit sowie Fälle, in denen einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Neu ist, dass BfJ als deutsche Zentrale Behörde durch die Gerichte von der Einleitung inländischer Rückführungsverfahren benachrichtigt wird, in denen es mangels Beauftragung durch den zurückgelassenen Elternteil nicht eingebunden war. Auf Antrag ist BfJ dann an dem Verfahren zu beteiligen.

Unterstützung bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung

Eine wesentliche Neuerung der Brüssel-IIb-Verordnung ist die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Anerkennungsstaat als Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Vollstreckung. Entscheidungen im Anwendungsbereich der Verordnung können damit ohne zusätzliches Vollstreckbarerklärungsverfahren grenzüberschreitend vollstreckt werden. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach nationalem Recht, soweit die Verordnung nichts Anderes regelt. Diese sieht nun eine Mindestharmonisierung der Gründe für die Aussetzung oder Versagung der Vollstreckung vor. Zur Durchsetzung ihrer Rechte stellt das BfJ den Trägern der elterlichen Verantwortung Informationen über die zuständigen Gerichte und das zu beachtende Verfahren zur Verfügung einschließlich Hinweisen über die Möglichkeiten Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe zu erlangen.

Informationsaustausch durch grenzüberschreitende Amts- und Rechtshilfe

Das BfJ als deutsche Zentrale Behörde arbeitet mit den anderen Zentralen Behörden zusammen, um Informationen zu erheben und auszutauschen, die in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung von Belang sind. Zu diesem Zweck lässt es durch Einschaltung von anderen Stellen, insbesondere Jugendämtern, u. a. Berichte über die Situation eines Kindes erstellen oder tauscht Meldungen über Kindeswohlgefährdungen aus. Dabei werden die grenzüberschreitenden Übermittlungswege über die Zentralen Behörden kanalisiert. Das betrifft insbesondere die grenzüberschreitende Kommunikation zwischen Jugendämtern.

Kooperation bei grenzüberschreitenden Unterbringungen von Minderjährigen

In Ausnahmefällen bringen deutsche Gerichte und Jugendämter Kinder und Jugendliche in anderen Mitgliedstaaten unter. Die neue Verordnung regelt in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des aufnehmenden Staates, ohne die die Unterbringung nicht erfolgen darf. Empfangs- und Übermittlungsstellen für das vorgeschaltete Konsultationsverfahren sind ausschließlich die Zentralen Behörden.

Hintergrund

Das BfJ ist deutsche Zentrale Behörde nach verschiedenen internationalen Regelungen im internationalen Sorgerecht. Umfassende Unterstützungsangebote sowie weitergehende Informationen finden Sie auf der Internetseite des BfJ unter www.bundesjustizamt.de/sorgerecht.