Für den Bereich der grenzüberschreitenden Unterbringungen hat die neue Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25. Juni 2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführung (Brüssel II b-Verordnung) signifikante Neuerungen gebracht: Nach altem Recht richtete sich die Frage, ob bei einer grenzüberschreitenden Unterbringung die vorherige Zustimmung des aufnehmenden Staates erforderlich ist, nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, in dem das Kind untergebracht werden soll. Die Neufassung stellt dagegen für die Zustimmung nicht mehr auf das jeweilige nationale Recht ab, sondern regelt autonom das Erfordernis der vorherigen Zustimmung, ohne die die Unterbringungsentscheidung nicht ergehen darf.
Beabsichtigen deutsche Gerichte oder Behörden (z. B. Jugendämter) die Unterbringung eines Kindes (z. B. in einem Heim oder einer Pflegefamilie) in einem anderen EU-Mitgliedstaat (mit Ausnahme Dänemarks), ist vor erfolgter Unterbringung ein Konsultationsverfahren nach Artikel 82 Brüssel II b-Verordnung durchzuführen, im Rahmen dessen die Behörden des Staates, in dem das Kind untergebracht werden soll (Aufnahmestaat), zu beteiligen sind. Das Ersuchen ist über die Zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats an die Zentrale Behörde des Aufnahmestaates zu übermitteln (Artikel 82 Absatz 1 Brüssel II b-Verordnung).
Erwägungsgrund 11 zur Brüssel II b-Verordnung stellt klar, dass die Regelungen auch für grenzüberschreitende Unterbringungen aus erzieherischen Gründen gelten, die mit Zustimmung oder auf Antrag der Eltern oder des Kindes infolge eines Problemverhaltens des Kindes veranlasst werden.
Die Zustimmung der zuständigen Behörden des Aufnahmestaates ist vorab zur Unterbringung erforderlich (Artikel 82 Absatz 1 Brüssel II b-Verordnung). Die Entscheidung über die Unterbringung kann erst dann getroffen werden und die Unterbringung erst dann erfolgen, wenn die zuständige Behörde des Aufnahmestaates dieser Unterbringung vorher zugestimmt hat (Artikel 82 Absatz 5 Brüssel II b-Verordnung). Auch die Verlängerung einer Maßnahme darf erst nach vorherige Zustimmung erfolgen.
Eine Zustimmung ist ausnahmsweise nur dann nicht erforderlich, wenn das Kind bei einem Elternteil untergebracht werden soll (Artikel 82 Absatz 2 Brüssel II b-Verordnung). Die Mitgliedstaaten können für Unterbringungen in ihrem Hoheitsgebiet weitere Ausnahmen für Kategorien naher Verwandter benennen, bei denen eine Unterbringung ohne vorherige Zustimmung möglich ist.
Das Verfahren der Konsultation richtet sich gemäß Artikel 82 Brüssel II b-Verordnung nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmestaates (Artikel 82 Absatz 7 Brüssel II b-Verordnung). Das nationale Recht regelt die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Unterbringung.
Sowohl Unterbringungen von Kindern in anderen EU-Staaten durch deutsche Gerichte als auch die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe im Ausland durch deutsche Jugendämter auf der Grundlage des Achten Buches Sozialgesetzbuch (§ 38 SGB VIII) sind, abgesehen von den oben genannten Ausnahmen, in jedem Fall vorab zustimmungspflichtig nach Artikel 82 Absatz 1 der Brüssel II b-Verordnung.
Das jeweilige Ersuchen ist an das Bundesamt für Justiz zu übersenden, das die Weiterleitung in das Ausland übernimmt.
Betrifft die Unterbringung keinen EU-Mitgliedstaat, aber einen anderen Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens (KSÜ), ist ebenfalls in jedem Fall eine vorherige Zustimmung erforderlich (Artikel 33 KSÜ). Eine Übermittlung über die Zentrale Behörde im Bundesamt für Justiz ist in diesem Fall zwar nicht zwingend, aber empfehlenswert.
Weitere Hinweise finden Sie in den allgemeinen Merkblättern.
Nähere Angaben zu den einzureichenden Unterlagen und dem Konsultationsverfahren in den einzelnen Ländern finden Sie in den länderspezifischen Datenblättern sowie Zusatzinformationen. Bei ergänzenden Fragen sowie Fragen zu sonstigen Ländern wenden Sie sich bitte an die Zentrale Behörde im Bundesamt für Justiz oder an die Zentrale Behörde des betreffenden Staates.
Auf dem Europäischen Justizportal (EJN) der Europäischen Kommission sind ebenfalls Informationen ("factsheets") zu den einzelnen EU-Ländern hinsichtlich grenzüberschreitender Unterbringung eines Kindes (einschließlich Pflegefamilie) zu finden.
Aus Datenschutzgründen wird darum gebeten, im Rahmen von Ersuchen von der Übersendung kopierter Ausweisdokumente abzusehen.