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Stand des Verfahrens

Die Bekanntmachungen sind in zeitlicher Reihenfolge sortiert (jüngste zuerst).

[++++ Änderungen nach der ersten öffentlichen Bekanntmachung sind gesondert hervorgehoben. Der geänderte Text ist kursiv dargestellt. ++++]

Allgemeine Verfahrensdaten

Gericht: Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 5 MK 2/20

Bekanntmachung vom 14.02.2024, Oberlandesgericht Dresden, Berichtigung

Datum der Entscheidung: 09.02.2024

Berichtigungsbeschluss, Oberlandesgericht Dresden, 5 MK 2/20

Bekanntmachung vom 25.01.2024, Bundesgerichtshof, Rechtsmittel

Revision eingelegt am: 16.01.2024

Revisionsgericht: Bundesgerichtshof

Aktenzeichen: XI ZR 6/24; Aktenzeichen Oberlandesgericht Dresden: 5 MK 2/20

Revisionskläger: Verbraucherzentrale Sachsen e.V.

gesetzlicher Vertreter: Vorstand

Prozessbevollmächtigter des Revisionsklägers: Rechtsanwalt Dr. Hartung

Revisionsbeklagter: Sparkasse Vogtland, Anstalt des öffentlichen Rechts

gesetzlicher Vertreter: Vorstand

Prozessbevollmächtigter des Revisionsbeklagten: Vorinstanz: PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft

Bekanntmachung vom 28.12.2023, Oberlandesgericht Dresden, Urteil

Datum der Entscheidung: 20.12.2023

Urteil, Oberlandesgericht Dresden, 5 MK 2/20 (PDF, 5MB, Datei ist barrierefrei)

Das Urteil wurde geändert durch Berichtigungsbeschluss vom 09.02.2024

Bekanntmachung vom 11.12.2023, Oberlandesgericht Dresden, Termin

Bezeichnung des Termins: Verkündungstermin

Datum: 20.12.2023

Uhrzeit: 10:00 Uhr

Sitzungsort: Dresden

Raum: 1.3

Straße, Hausnummer: Schloßplatz 1

PLZ, Ort: 01067 Dresden

Bekanntmachung vom 06.09.2023, Oberlandesgericht Dresden, Änderung

Beschlussinhalt:

Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.11.2023 wird verlegt auf:

Mittwoch, den 06.12.2023, 9.00 Uhr in Sitzungssaal 1.3, 1. OG, Ständehaus, Schloßplatz 1, 01067 Dresden.

Die Hinweise der früheren Ladung bzw. Terminsnachricht gelten auch für den neuen Termin.

Die Verlegung des Termins erfolgte auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten Sparkasse Vogtland aus den im Antrag genannten Gründen.

Bekanntmachung vom 10.08.2023, Oberlandesgericht Dresden, Termin

Der Termin wurde geändert durch Bekanntmachung vom 06.09.2023.

Bezeichnung des Termins: Mündliche Verhandlung

Datum: 8. November 2023

Uhrzeit: 13:00 Uhr

Sitzungsort: Dresden

Raum: 1.3

Straße, Hausnummer: Schloßplatz 1

PLZ, Ort: 01067 Dresden

Bekanntmachung vom 27.02.2023, Bundesgerichtshof, Beendigung und Rechtskraft

Beendigung durch: Urteil

Eintritt der Rechtskraft: Teilrechtskräftig seit 24.01.2023

Bekanntmachung vom 27.02.2023, Bundesgerichtshof, Entscheidung oder andere

Das letztinstanzliche Verfahren wurde teilweise beendet durch folgendes Urteil, verkündet am 24.01.2023.

Vollständige oder teilweise Aufhebung und Zurückverweisung:

Das Verfahren wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2023 teilweise beendet. In dem aus dem Urteil ersichtlichen Umfang (dort Seite 3) wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Abschrift der Entscheidung:

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

XI ZR 257/21

Verkündet am:
24. Januar 2023

Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

BGB §§ 133 (B), 157 (Ga)
ZPO § 411a

a) Bei Prämiensparverträgen, bei denen die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zum 15. Sparjahr steigen, sind im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) für die vorzunehmenden Zinsanpassungen ein langfristiger Referenzzinssatz und die Verhältnismethode maßgebend. Der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite ist vom Oberlandesgericht mit sachverständiger Hilfe zu bestimmen und hat widerzuspiegeln, dass es sich bei den Prämiensparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (Bestätigung der Senatsurteile vom 13. April 2010 XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 22 f., 26 f., vom 21. Dezember 2010 XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 22, 25 und vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 85, 95 ff.).

b) Zur Verfahrensbeschleunigung kann gemäß § 411a ZPO die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21 - OLG Dresden


Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2023 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richterin Dr. Derstadt, die Richter Dr. Schild von Spannenberg und Dr. Sturm sowie die Richterin Ettl


für Recht erkannt:

Auf die Revision des Musterklägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. März 2021 in der Fassung des Beschlusses vom 26. Mai 2021 im Kostenpunkt und hinsichtlich der Abweisung des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 aufgehoben sowie hinsichtlich der zu dem Feststellungsziel 3 getroffenen Feststellung teilweise abgeändert.

Auf die Revision der Musterbeklagten wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der zum zweiten Hilfsantrag des Feststellungsziels 2 getroffenen Feststellung aufgehoben.

Es wird folgende Feststellung getroffen:

Die Musterbeklagte ist verpflichtet, die Zinsänderung in den Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel" monatlich vorzunehmen und dabei das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 zu wahren (Feststellungsziel 3).

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen


Tatbestand:


Der Musterkläger, ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen (sog. "S-Prämiensparen flexibel", nachfolgend: Sparverträge) gegen die Musterbeklagte.

Die Musterbeklagte bzw. deren Rechtsvorgänger (nachfolgend einheitlich: Musterbeklagte) schloss seit Anfang der 1990er Jahre bis zum Anfang dieses Jahrhunderts mit Verbrauchern Sparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr gestaffelte verzinsliche Prämie vorsahen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes. In ihnen heißt es u.a.:
"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst."

oder

"Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]."

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" der Musterbeklagten heißt es u.a.:

"3. Verzinsung

3.1 Zinshöhe
Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.

4. Kündigung
Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. …"

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.

Mit der Musterfeststellungsklage hat er die Feststellungen begehrt, dass die Sparverträge allein durch die Formulierungen "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]." oder "Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit …% p.a. verzinst." keine wirksamen Zinsänderungsregelungen enthalten (Feststellungsziel 1), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die Sparverträge auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten zehn Jahre auf Grundlage des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren (ehemalige Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank), hilfsweise auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, hilfsweise auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt und der in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, vorzunehmen (Feststellungsziel 2), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung monatlich unter Wahrung des relativen Verhältnisses zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 vorzunehmen, hilfsweise die Zinsänderung nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich Anpassungsintervall, Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen (Feststellungsziel 3), dass die tatsächliche Zinsänderung der Musterbeklagten weder nach dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 noch nach den Anpassungsparametern im Sinne des Feststellungsziels 3 erfolgte (Feststellungsziel 4), dass der vertragliche Anspruch von Kunden der Musterbeklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben einschließlich der Zinsen frühestens ab der wirksamen Beendigung des Sparvertrags fällig wird (Feststellungsziel 5), dass allein durch die Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschrift im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, anhand derer die Höhe des tatsächlich zu kapitalisierenden Zinsbetrags zu ermitteln war, begründet wurde (Feststellungsziel 6) und dass allein die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschrift im Sparbuch nicht dazu führt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Nachberechnung und Auskehrung von Zinsen verwirkt sind (Feststellungsziel 7).
Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage hinsichtlich des Feststellungsziels 1, hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2, hinsichtlich des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3 bezüglich der Vornahme einer monatlichen Zinsänderung und hinsichtlich des Feststellungsziels 5 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage hinsichtlich der Feststellungsziele 2, 3, 6 und 7 als unbegründet und hinsichtlich des Feststellungsziels 4 als unzulässig abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Musterkläger sein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung des Feststellungsziels 2 weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revisionen haben Erfolg.

A.


Die Musterfeststellungsklage ist zulässig. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 606 ZPO zu Recht bejaht. Bedenken hiergegen bringt die Revision der Musterbeklagten nicht vor.



B. Revision des Musterklägers


Die Revision des Musterklägers hat Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2021, 6404 veröffentlichten Entscheidung soweit für die Revision des Musterklägers von Bedeutung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsziel 2, das darauf gerichtet sei, den Referenzzinssatz für die im Streit stehenden Sparverträge zu bestimmen, sei zulässig. Es sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unbegründet. Da die Zinsänderungsklauseln unwirksam seien und dispositives Recht insoweit fehle, sei die entstehende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, die durch das Gericht vorzunehmen sei. Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung sei der konkret abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des "wirklich Gewollten her weitergedacht" werden müsse. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung könne nicht im Zuge einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle Verträge vorgenommen werden, weil sich die Sparverträge hinsichtlich des Abschlussdatums und der konkreten Umstände unterschieden, die zum Vertragsschluss geführt hätten. Auch hätten die Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Klageregister angemeldet hätten, keine wortgleichen Verträge abgeschlossen.

Das Feststellungsziel 3 sei zulässig und hinsichtlich des Hauptantrags insoweit unbegründet, als der Musterkläger mit ihm die Feststellung begehre, dass bei den von der Musterbeklagten monatlich vorzunehmenden Zinsanpassungen das relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsabschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem zu bestimmenden Referenzzinssatz gewahrt bleibe. Dem Oberlandesgericht sei eine Feststellung hierzu im Rahmen einer Musterfeststellungsklage verwehrt, weil sie Teil der ergänzenden Vertragsauslegung sei, die "nicht generalisierbar" sei.



II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Revision des Musterklägers ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Musterbeklagten ist die Revision des Musterklägers insbesondere auch bezüglich des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 in der gesetzlichen Form des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO begründet worden (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und konkret darlegt, warum die Begründung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein soll (BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 V ZR 250/10, WuM 2011, 543 Rn. 6; Beschlüsse vom 29. Juli 2014 IV ZR 371/13, VersR 2015, 1121 Rn. 4 und vom 12. September 2022 VIa ZR 230/22, juris Rn. 13). Dem genügt die Revisionsbegründung des Musterklägers. Denn er beanstandet die angefochtene Entscheidung unter anderem dahin, das Oberlandesgericht hätte hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 eine ergänzende Vertragsauslegung vornehmen müssen. Soweit das Oberlandesgericht eine solche Auslegung unterlassen hat, ist die Revisionsbegründung daher geeignet, dem angefochtenen Urteil die Grundlage zu entziehen. Das gilt auch für den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2.

2. a) Zu Recht ist das Oberlandesgericht von der Zulässigkeit des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 32) erkannt hat, hat das Feststellungsziel weder ausdrücklich noch verdeckt die Feststellung eines Leistungsanspruchs der Verbraucher gegen die Musterbeklagte zum Gegenstand.

b) Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht allerdings den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zurückgewiesen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts erkannt und eingehend begründet hat, hätte das Oberlandesgericht einen Referenzzinssatz für die variable Verzinsung des Sparguthabens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen müssen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 81 ff.; zustimmend Berger/Nettekoven, EWiR 2021, 705, 706). Unionsrechtliche Erwägungen stehen der Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 47 ff.; zustimmend Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 307 Rn. 393b; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2020, Updatestand: 30. April 2022, § 157 Rn. 47c.2; Edelmann, WuB 2022, 305, 308; Furche, WM 2022, 993, 995; Omlor, BKR 2022, 38, 49; kritisch BeckOGK BGB/Bonin, Stand: 1. Dezember 2022, § 306 Rn. 102.1; v. Westphalen, ZIP 2022, 1465 ff.; ders., NJW 2022, 288 Rn. 18 ff.). Nach dem Konzept der Sparverträge der vorliegenden Art ist es dabei allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (Senatsurteil, aaO Rn. 85; zustimmend Feldhusen, BKR 2022, 579, 585; kritisch Omlor, BKR 2022, 38, 50), wobei die Ansparphase Berücksichtigung finden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. April 2010 XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 23). Neben der langen Fristigkeit des Referenzzinssatzes wird der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 91) oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite auch widerzuspiegeln haben, dass es sich bei den streitgegenständlichen Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (vgl. OLG Dresden, WM 2022, 1973, 1975).

Das Oberlandesgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die vom Musterkläger in seinem Hauptantrag zum Feststellungsziel 2 genannte Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren (ehemalige Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank) als Referenzzinssatz den Interessen der Parteien eines Sparvertrags mit den typischen Merkmalen gerecht wird. Es wird dies daher mit sachverständiger Hilfe nachzuholen haben. Sollte das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Zinssatz den an ihn als Referenzzinssatz zu stellenden Anforderungen nicht genügt, wird es ebenfalls sachverständig beraten über den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden haben und dabei klären müssen, welcher konkrete, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinssatz als Referenzzinssatz heranzuziehen ist (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 86).

3. Mit Erfolg wendet sich der Musterkläger weiter gegen die teilweise Zurückweisung des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3.

a) Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts für vergleichbare Sparverträge erkannt hat, muss bei den von der Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben und nicht eine gleichbleibende absolute Gewinnmarge (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 95 ff., im Ergebnis zustimmend Gebauer/Gramlich/Müller/Thießen, VuR 2022, 208, 214). Die ergänzende Vertragsauslegung kann der Senat selbst vornehmen (Senatsurteil, aaO Rn. 94). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen (Senatsurteil, aaO Rn. 96 mwN). Wie der Senat ebenfalls bereits eingehend begründet hat, stehen bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte der Anwendung der Verhältnismethode nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 100 ff.).

b) An diesem Auslegungsergebnis hält der Senat auch vor dem Hintergrund der von der Musterbeklagten und von Teilen des Schrifttums neuerlich vorgebrachten Einwände fest.

aa) Die Verhältnismethode widerspricht entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung (Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 298 f.; Furche, WM 2022, 1041, 1045 f.; Langner, BKR 2022, 305, 308; Herresthal, WM 2020, 1997, 2001; Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2298) nicht den anerkannten Grundsätzen des Preisanpassungsrechts. Nach diesen Grundsätzen haben Zinsanpassungsklauseln einen den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligenden Inhalt im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie es dem Verwender ermöglichen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen, oder wenn sie nur das Recht des Klauselverwenders enthalten, Erhöhungen ihrer eigenen Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, nicht aber auch die Verpflichtung, bei gesunkenen eigenen Kosten den Preis für die Kunden zu senken (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2009 XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 25 mwN).

Derartige Vorteile der Musterbeklagten sind mit der anzuwendenden Verhältnismethode nicht verbunden. Denn die Musterbeklagte hat bei Anwendung dieser Methode von vornherein keinen Einfluss auf die Höhe der von ihr vorzunehmenden Zinsanpassungen. Die Höhe der Zinsanpassungen wird vielmehr auf der Grundlage der Höhe des anfänglich vereinbarten Vertragszinses durch die Höhe des Referenzzinssatzes bei Vertragsbeginn und durch die Entwicklung des Referenzzinssatzes während der Laufzeit des Sparvertrags bestimmt. Diese Faktoren kann die Musterbeklagte nicht einseitig festlegen. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstößt nicht gegen die vorgenannten Grundsätze des Preisanpassungsrechts. Die Verhältnismethode gewährleistet vielmehr anders als die von der Musterbeklagten befürwortete Differenzmethode , dass der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz konstant und damit das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96 und 99).

bb) Der Einwand der Musterbeklagten, die Zinsanpassung nach der Verhältnismethode habe aus deren Sicht einen "spekulativen Charakter", der bei den Sparverträgen von keiner Partei gewollt sei, verfängt ebenfalls nicht. Es trifft zwar zu, dass sich bei Anwendung der Verhältnismethode die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei steigenden Referenzzinssätzen erhöht und bei sinkenden Referenzzinssätzen reduziert. Da die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten aber bei sinkenden Referenzzinssätzen sinken und bei steigenden Referenzzinssätzen steigen muss, um dem Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen und damit das Grundgefüge des Vertragsverhältnisses bei den vorzunehmenden Zinsanpassungen zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96), sind die mit den Zinsanpassungen verbundenen Änderungen der absoluten Zinsmarge der Musterbeklagten vertragsimmanent. Darüber hinaus verhindert auch die Differenzmethode bei einer ausgeschlossenen negativen variablen Verzinsung (vgl. hierzu OLG Dresden, WM 2022, 1973, 1975) im Fall sinkender Referenzzinssätze eine Reduktion der absoluten Zinsmarge der Musterbeklagten nicht, wenn der Referenzzinssatz kleiner ist als der anfängliche absolute Abstand zwischen Vertrags- und Referenzzinssatz (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 103; Omlor, ZBB 2020, 355, 366).

Soweit im Schrifttum (Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 299; Beck/Bleses, ZBB 2020, 191, 198) in dem Zusammenhang weiter vorgebracht wird, die Musterbeklagte könne die "Wette" nur verlieren, da Sparer bei steigenden Referenzzinssätzen den Vertrag kurzfristig kündigen könnten, wohingegen die Musterbeklagte bei sinkenden Referenzzinssätzen keine Kündigungsmöglichkeit habe (zum Ausschluss des Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 38 ff.), handelt es sich nicht um ein Phänomen, das nur bei Anwendung der Verhältnismethode auftritt. Spiegelbildlich besteht bei Anwendung der Differenzmethode im Fall sinkender Referenzzinssätze für Sparer gleichermaßen der Anreiz, den Vertrag kurzfristig zu kündigen, da sinkende Referenzzinssätze bei einem absolut gleichbleibenden Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz zu einer im Verhältnis zum Vertragszinssatz überzogenen Marge der Sparkasse führen können (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96). Ursächlich für diese aus Sicht der Sparer günstige vertragliche Position ist nicht die Methode der Zinsanpassung, sondern sind die weiteren vertraglichen Bestimmungen des Sparvertrags, die dahin zu verstehen sind, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart (Senatsurteil vom 14. Mai 2019, aaO Rn. 38).

cc) Schließlich vermag auch der Hinweis, Zinsanpassungen könnten sowohl bei Anwendung der Differenz- als auch bei Anwendung der Verhältnismethode mathematisch zu einem negativen Vertragszins führen (vgl. Berger/ Nettekoven, ZIP 2022, 293, 298; dies., EWiR 2021, 705, 706 f.; Elsas/Luz/Worch, BKR 2022, 570, 573 f.; Furche, WM 2022, 1041, 1045; Gebauer/Gramlich/Müller/Thießen, VuR 2022, 208, 210; Langner, BKR 2022, 305, 308 f.; Wimmer/Rösler, WM 2022, 1963, 1965; Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2298; Herresthal, WM 2020, 1997, 1998; Hölldampf, BB 2020, 265, 266; Omlor, ZBB 2020, 355, 365), kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen. Soweit der Senat (Urteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96) ausgeführt hat, dass ein absolut gleichbleibender Abstand zum Referenzzinssatz bei sinkenden Zinsen die Gefahr einer negativen Verzinsung des angesparten Kapitals birgt, ist damit nicht gemeint, dass eine negative Verzinsung bei Anwendung der Verhältnismethode mathematisch ausgeschlossen ist. Interessengerecht ist die Verhältnismethode in dem Zusammenhang deswegen, weil sie anders als die Differenzmethode bei positiven Referenzzinssätzen stets zu positiven Vertragszinsen führt und damit den Vorstellungen der an den Sparverträgen beteiligten Verkehrskreise entspricht, auch bei sinkenden aber positiven Marktzinsen Zinserträge mit der Spareinlage zu generieren, die im gleichen Verhältnis zum Marktzinsniveau stehen wie bei Vertragsschluss (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 99).



C. Revision der Musterbeklagten


Die Revision der Musterbeklagten hat ebenfalls Erfolg.


I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung soweit für die Revision der Musterbeklagten von Bedeutung im Wesentlichen ausgeführt:

Der zweite Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 sei zulässig und begründet. Die Feststellung, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsänderung für die genannten Sparverträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes vorzunehmen, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, sei hinreichend generalisierbar und gelte für alle denkbaren Vertragsgestaltungen.


II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht auf den zweiten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 festgestellt, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, vorzunehmen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts entschieden hat, ist diese Feststellung nicht klärungsbedürftig und verkennt den Kern des Rechtsschutzbegehrens des Musterklägers (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 36 f.).



D.
Nach alledem ist das Urteil des Oberlandesgerichts hinsichtlich des Feststellungsziels 3 teilweise und hinsichtlich des Feststellungsziels 2 insgesamt aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über das Feststellungsziel 3 kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es insoweit keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf. Dies führt zu der vom Musterkläger beantragten Feststellung.

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz gemäß den Ausführungen unter B. II. 2. zu bestimmen haben (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 27 ff.). Dabei wird zu bedenken sein, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem Gerichtsverfahren (vgl. u.a. OLG Dresden, WM 2022, 1973) oder von der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist.

Ellenberger

Derstadt

Schild von Spannenberg

Sturm

Ettl

Vorinstanzen:
OLG Dresden, Entscheidung vom 31.03.2021 - 5 MK 2/20 -

Bekanntmachung vom 27.12.2022, Bundesgerichtshof, Termin

Bezeichnung des Termins: Mündliche Verhandlung

Datum: 24. Januar 2023

Uhrzeit: 09:00 Uhr

Sitzungsort: Bundesgerichtshof

Raum: Saal N 010

Straße, Hausnummer: Herrenstraße 45 A

PLZ, Ort: 76133 Karlsruhe

Bekanntmachung vom 09.06.2021, Oberlandesgericht Dresden, Beendigung

Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 26.05.2021:

Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 5 MK 2/20

BESCHLUSS

-
In Sachen

Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Katharinenstraße 17, 04109 Leipzig
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Andreas Eichhorst
- Kläger -

Prozessbevollmächtigte:
Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Gz.: 000463-19/raab/raab

gegen

Sparkasse Vogtland, Komturhof 2, 08527 Plauen
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Marko Mühlbauer
- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte:
pwc PricewaterhouseCooper Legal AG, Kapelle-Ufer 4, 10117 Berlin, Gz.: 0.090.4832.034

wegen Zinsanpassungsregelung
-

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. Klose,
Richter am Oberlandesgericht Kühn und
Richter am Oberlandesgericht Alberts

ohne mündliche Verhandlung am 26.05.2021

beschlossen:

Der Tatbestand des Urteils vom 31.03.2021 wird auf Seite 3 im 2. Absatz dahingehend abgeändert, dass es nach den Worten „für unwirksam erklärt hatte,“ heißt:

„stellte die Beklagte den Vertrieb variabel verzinster Prämiensparverträge zum 03.01.2005 ein.“

Gründe:

I.

Im Tatbestand des der Beklagten am 22.04.2021 zugestellten Urteils vom 31.03.2021 ist ausgeführt, sie habe seit Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends in neu abgeschlossenen Prämiensparverträgen formularmäßig Bedingungen dahingehend vereinbart, dass die Zinsanpassung nunmehr nach einer Veränderung eines bestimmten Referenzzinssatzes erfolgen sollte. Hierzu hat die Beklagte am 06.05.2021 Berichtigung des Tatbestandes beantragt und auf ihren Vortrag auf Seite 54 der Klageerwiderung vom 23.10.2020 verwiesen. Die angehörte Klägerin hat keine Bedenken gegen den Berichtigungsantrag erhoben.

II.

Der zulässige Tatbestandsberichtigungsantrag ist begründet, die berichtigte Fassung des Tatbestands entspricht dem unstreitigen Vortrag der Beklagten.

PD Dr. Dr. Klose

Kühn

Alberts

Bekanntmachung vom 19.05.2021, Bundesgerichtshof, Rechtsmittel

Revision eingelegt am: 06.05.2021

Revisionsgericht: Bundesgerichtshof

Aktenzeichen: XI ZR 257/21; Aktenzeichen Oberlandesgericht Dresden: 5 MK 2/20

Revisionskläger: Sparkasse Vogtland

gesetzlicher Vertreter: vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden

Bekanntmachung vom 07.05.2021, Bundesgerichtshof, Rechtsmittel

Revision eingelegt am: 30.04.2021

Revisionsgericht: Bundesgerichtshof

Aktenzeichen: XI ZR 257/21; Aktenzeichen Oberlandesgericht Dresden: 5 MK 2/20

Revisionskläger: Verbraucherzentrale Sachsen e.V.

gesetzlicher Vertreter: vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden

Bekanntmachung vom 20.04.2021, Oberlandesgericht Dresden, Beendigung

[++++ Nachfolgend dargestellt ist das am 20.04.2021 bekannt gemachte Urteil des Oberlandesgerichts Dresden. Der Tatbestand des Urteils ist unter I. im zweiten Absatz abgeändert worden (siehe Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 26.05.2021). ++++]

Das erstinstanzliche Verfahren wurde beendet durch Urteil, verkündet am 31.03.2021:

Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen 5 MK 2/20

Verkündet am: 31.03.2021

Seifert
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Katharinenstraße 17, 04109 Leipzig
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Andreas Eichhorst
- Kläger -

Prozessbevollmächtigte:
Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Gz.: 000463-19/raab/raab

gegen

Sparkasse Vogtland, Komturhof 2, 08527 Plauen
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Marko Mühlbauer
- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte:
pwc PricewaterhouseCooper Legal AG, Kapelle-Ufer 4, 10117 Berlin, Gz.: 0.090.4832.034

wegen Zinsanpassungsregelung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. Klose,
Richter am Oberlandesgericht Kühn und
Richter am Oberlandesgericht Alberts

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2021

für Recht erkannt:

I. Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagte mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“ allein durch die Formulierungen „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“ oder „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres [...].“ keine wirksamen Zinsanpassungsregelungen für den variablen Zinssatz vereinbart hat;

2. die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die im Tenor zu 1. genannten Verträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, vorzunehmen;

3. die Beklagte dazu verpflichtet ist, aufgrund des gemäß des Tenors zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung zu den im Tenor zu 1. genannten Verträgen monatlich vorzunehmen;

4. vertragliche Ansprüche von Kunden der Beklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben aus dem „S-Prämiensparvertrag flexibel“ einschließlich der nach dem Tenor zu 2. und 3. zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages fällig werden.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird zugelassen.

I.

Der Kläger, eine Verbraucherzentrale der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, begehrt im Rahmen einer Musterfeststellungsklage die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Zinsberechnung bei von der Beklagten, einer Sparkasse, bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen, den Sparkassen Auerbach, Plauen, Oelsnitz, Klingenthal und Reichenbach, ausgereichten und im Detail teilweise unterschiedlich gestalteten Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“, die von der Beklagten bzw. ihren Vorgängerinstituten von den 90er Jahren bis zum Anfang dieses Jahrhunderts vertrieben wurden. Diese Sparverträge beruhten auf einer variablen Verzinsung. Die Anfangszinssätze hingen von dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Es wurde bei Vertragsschluss keine ausdrückliche Zinsanpassungsklausel vereinbart. Zusätzlich zum variablen Zins verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer auf die Jahressparleistung bezogenen verzinslichen „S-Prämie“, für die die Zahlungspflicht nach dem 3. Sparjahr mit 3 % begann und sich stufenweise bis zu 50 % im 15. Sparjahr steigerte. Den Kunden stand ein dreimonatiges Kündigungsrecht zu. Im Hinblick auf die Verzinsung des Sparguthabens lauten die Verträge: „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“ bzw. „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres [...]“.

Nachdem der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit seinem Urteil vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588) in langfristig angelegten Sparverträgen formularmäßig vereinbarte Zinsänderungsklauseln, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumen, wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam erklärt hatte, vereinbarte die Beklagte seit Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends in neu abgeschlossenen Prämiensparverträgen die formularmäßigen Bedingungen dahin, dass die Zinsanpassung nunmehr nach einer Veränderung eines bestimmten Referenzzinssatzes erfolgen sollte.

Die Beklagte kündigte im Jahr 2017 die Prämiensparverträge, wenn keine Einigung über neue Produkte erfolgt war.

Der Kläger hält die zuvor formularmäßig verwendete Zinsanpassungsklausel ohne den Hinweis auf einen Referenzzinssatz wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam. Die dadurch entstehende Regelungslücke sei unter Anwendung der §§ 133, 157 BGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Die Beklagte sei nicht dazu befugt, die Leistung einseitig zu bestimmen. Als wichtigster Parameter sei für die Festlegung der Zinsen der Referenzzinssatz zu bestimmen, dessen Veränderung wiederum Auslöser für etwaige Zinsänderungen sei. Es müsse sich dabei um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatz handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt werde und die Bank nicht einseitig begünstige. Es sei unter den Referenzzinssätzen des Kapitalmarktes derjenige oder eine Kombination derjenigen Referenzzinssätze auswählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommen würden. Hierfür seien die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze prädestiniert. Es handele sich bei den streitgegenständlichen Verträgen um langfristige Spareinlagen, so dass der Referenzzinssatz auch an langfristigen Anlagen zu orientieren sei. Auch im Hinblick auf das Zinsanpassungsintervall sei eine Festlegung vorzunehmen. Eine Orientierung an dem Erscheinen der Bundesbankberichte sei sachgerecht. Die streitgegenständlichen Zinsansprüche seien auch weder verwirkt noch verjährt. Der Verjährung stehe bereits entgegen, dass sie frühestens mit der Kündigung fällig geworden seien. Im Hinblick auf die Verwirkung sei ein Umstandsmoment nicht ersichtlich.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“ allein durch die Formulierung: „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres [...].“ oder „Die Spareinlage wird variabel, zur Zt. mit ... % p.a. verzinst.“ keine wirksame Zinsanpassungsregelung getroffen hat.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die im Antrag zu 1) genannten Verträge vorzunehmen auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes

2.1. der letzten 10 Jahre, auf Grundlage des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von über 9 bis 10 Jahren (Kürzel: BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A, früher WX 4260, der Deutschen Bundesbank).

2.2. hilfsweise zu 2.1: auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird;

2.3. hilfsweise zu 2.1 und 2.2: auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des nach Antrag zu 2) ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung in den Sparverträgen

3.1. monatlich vorzunehmen, wobei das relative Verhältnis zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz zum gleitenden Durchschnitt des nach Antrag zu 2) ermittelten Referenzzinssatzes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewahrt bleibt;

3.2. hilfsweise zu Antrag zu 3.1) wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des in Antrag zu 2) ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung in den Sparverträgen nach den in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich genannte Verhältnis der Anpassungsparameter hinsichtlich des Anpassungsintervalls, der Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen.

4. Es wird festgestellt, dass die tatsächliche Zinsanpassung, welche die Beklagte in den in Antrag zu 1) genannten Sparverträgen vornahm, weder auf der Grundlage des nach Antrag zu 2) ermittelten Referenzzinssatzes noch nach angemessenen Anpassungsparameter gemäß Antrag zu 3) erfolgte.

5. Es wird festgestellt, dass der vertragliche Anspruch von Kunden der Beklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben aus den „S-Prämiensparvertrag flexibel“ einschließlich der nach den Anträgen zu 2) und 3) zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages fällig wird.

6. Es wird festgestellt, dass allein durch Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschrift im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, anhand derer die Höhe des tatsächlich zu kapitalisierenden Zinsbetrages zu ermitteln war, begründet wurde.

7. Es wird festgestellt, dass allein die widerspruchslose Hinnahme der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschrift im Sparbuch für die betroffenen Verbraucher nicht dazu führt, das deren etwaige Ansprüche auf Nachberechnung und Auskehrung von Zinsansprüchen dem von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand der Verwirkung unterliegen und dadurch das sog. Zeitmoment erfüllt ist, zu dem die Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht gehört.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. In den Preishauptabreden „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“ bzw. „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres [...].“ sei von Anfang an keine Regelung über die Frage des „Wie“ der Zinsanpassung zu sehen gewesen; deshalb laufe das erste Feststellungsziel wegen des Fehlens des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ins Leere. Zudem sei das UKlaG vorrangig. Die Anträge zu 2 und 3 zielten unzulässig auf die Feststellung von Ansprüchen. Auch der Antrag zu 4 sei nicht musterverfahrensfähig. Für die Anträge zu 5 und 6 fehle es bereits am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Klägerin nicht geltend mache, dass die Beklagte die Verjährungseinrede erhoben hat. Zudem hingen Verjährung und Verwirkung von individuellen Umständen ab. Alle Anträge seien zudem unbestimmt. Die streitgegenständlichen Regelungen seien bei einer Vielzahl unterschiedlicher Prämiensparverträge verwandt worden, die im Hinblick auf den Referenzzinssatz nicht gleich behandelt werden dürften. Die Klage sei auch unbegründet. Der Kläger verkenne bei den Anträgen zu 2 und 3 den Maßstab der ergänzenden Vertragsauslegung zur Bestimmung der Art und Weise der gebotenen Zinsanpassung und insbesondere die Interessenlage der Beklagten. Der Antrag zu 5 übersehe, dass es sich beim Zinsanpassungsanspruch um einen eigenständigen Anspruch mit gesondert eintretender Fälligkeit handele. Im Hinblick auf den Antrag zu 6 hätten Verbraucher mit der Zinsgutschrift alle notwendigen Informationen gehabt. Generelle Feststellungen im Sinne des Antrags zu 7 seien ausgeschlossen, weil die Verwirkung an individuelle Umstände anknüpfe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Klage ist im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu Ziffer 4. unzulässig und im Übrigen zulässig (dazu A.). Sie hat insoweit in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg (dazu B.).

A.

Die Musterfeststellungsklage ist überwiegend zulässig. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 606 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Nr. 1 ZPO (dazu 1.). Die Klage ist nicht wegen eines Vorranges des UKlaG unzulässig (dazu 2.). Von den Feststellungszielen zu 1. bis 3. und zu 5. bis 7., nicht aber vom Feststellungsziel zu 4., hängen Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von Verbrauchern i.S.v. § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (unmittelbare Konnexität) ab (dazu 3.). Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass von den Feststellungszielen die Ansprüche von mindestens 10 Verbrauchern abhängen (dazu 4.) und es haben sich bis zum 14.10.2020 und damit binnen zwei Monaten nach der öffentlichen Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage am 14.08.2020 und der Eintragung im Register gemäß § 606 Abs. 3 Nr. 3 ZPO mehr als 50 Verbraucher mit ihren Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen wirksam zur Eintragung in das elektronische Klageregister beim Bundesamt für Justiz (§ 609 Abs. 1 ZPO) angemeldet (dazu 5.).

1. Zugunsten des Klägers wird gemäß § 606 Abs. 1 S. 4 ZPO unwiderleglich vermutet, dass er eine zur Musterfeststellungsklage befugte qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 606 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO ist, weil es sich beim Kläger um eine Verbraucherzentrale handelt und er glaubhaft gemacht hat, dass er überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.

So hat der Kläger ausweislich der als Anlage K 1 vorgelegten Berichte der 3D GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 08.06.2018, vom 20.05.2019 und vom 10.06.2020 im Jahre 2017 bei Gesamteinnahmen von 5.754.000,00 € öffentliche Zuschüsse in Höhe von 4.749.000,00 € und im Jahre 2018 bei Gesamteinnahmen in Höhe von 5.752.000,00 € öffentliche Zuschüsse in Höhe von 4.964.000,00 € und Gesamteinnahmen in Höhe von 6.235.474,00 € im Jahr 2019 öffentliche Zuschüsse in Höhe von 5.363.788,00 € erhalten. Zudem hat der Kläger mit dem Freistaat Sachsen, vertreten durch das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, am 20./23.05.2019 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit geschlossen, nach der er in den Haushaltsjahren 2019 bis 2023 jeweils Zuwendungen als institutionelle Förderung in Höhe von 3.100.000,00 € pro Jahr erhalten soll, was mehr als der Hälfte der bisherigen jährlichen Gesamteinnahmen entspricht. Diesem Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

2. Soweit die Beklagte von einem Vorrang der Klage nach dem UKlaG ausgeht (S. 66 der Klageerwiderung), folgt der Senat dem nicht (so schon Urteil vom 22. April 2020, 5 MK 1/19). Beide Klagemöglichkeiten bestehen mit ihren jeweiligen spezifischen Rechtsschutzzielen nebeneinander und verdrängen sich nicht wechselseitig. Insbesondere hindert die Möglichkeit einer Klage nach dem UKlaG das Rechtsschutzbedürfnis der Musterfeststellungsklage nicht. Beide Klagen haben eine jeweils andere Rechtsschutzintensität. Insbesondere ist die Klage aus dem UKlaG nicht dafür geeignet, Feststellungsziele verbindlich klären zu lassen, die die Wirksamkeit der maßgeblichen Klausel nicht unmittelbar betreffen, wohingegen mit der Musterfeststellungsklage auch von einer etwaigen Unwirksamkeit ausgehende Folgefragen einer verbindlichen Klärung zugeführt werden können. Durch das Musterfeststellungsurteil wird Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen geschaffen. Zentrale Rechtsfragen werden dadurch zwischen dem angemeldeten Verbraucher und dem angemeldeten Unternehmen geklärt (Ring, Die neue zivilprozessuale Musterfeststellungsklage, NJ 2018, 441). Ein zumindest partiell weitergehender Rechtsbehelf wird durch einen seine Rechtsschutzintensität nur teilweise abdeckenden anderen Rechtsbehelf nicht verdrängt.

3. Die unmittelbare Konnexität für die Feststellungsziele ist gegeben, wenn bei Richtigkeit des vorgetragenen Sachverhaltes den Verbrauchern Ansprüche zustünden, wobei nicht erforderlich ist, dass die Feststellungsziele sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Anspruches erfassen (vgl. Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 34; Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 606 ZPO Rn. 11; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 606 Rn. 12). Gegenstand eines Feststellungsziels können demzufolge auch Anspruchselemente sein (OLG Dresden, Urt. v. 17.06.2020 - 5 MK 1/20).

Danach verfolgt der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. das zulässige Feststellungsziel, dass in den Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“ mit den im Antrag genannten Formulierungen keine wirksame Zinsanpassungsregel vereinbart worden ist, denn solche Klauseln sollen in allen Verträgen, die der Musterfeststellungsklage zugrunde liegen, vereinbart worden sein. Ob die Klauseln einer rechtlichen Prüfung standhalten, ist eine Rechtsfrage, die alle von der Klage erfassten Verträge gleichermaßen betrifft und die als rechtliche Grundlage eines Rechtsverhältnisses i.S.v. §§ 256 Abs. 1, 606 Abs. 1 S. 1 ZPO ein zulässiges Feststellungsziel sein kann (OLG Dresden, a.a.O.). Der Hinweis der Beklagten, dass für diesen Antrag das Sachentscheidungsinteresse fehle, weil „völlig klar“ sei, dass sich aus den in Rede stehenden Klauseln keine Zinsanpassungsregelung ableite lasse und die Beklagte dies auch nie behauptet habe (S. 64 ff. der Klageerwiderung), steht im Kontrast zu ihrem eigenen Vortrag (S. 52 der Klageerwiderung), wonach die Rechtsprechung - den Banken folgend - bis zum Jahr 2004 „den bloßen Hinweis auf den variablen Zins als ausreichend“ angesehen hätten, „um die Bank einseitig zu einer Zinsänderung zu berechtigen“ (vgl. auch das von ihr zitierte Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.10.2003, I-16 U 197/02). Auch ein Anerkenntnis im prozessualen Sinne ist der Einlassung der Beklagten nicht zu entnehmen.

Die Beklagte hält dem Antrag zu 1. zudem zu Unrecht entgegen (Schriftsatz vom 17.03.2021, S. 3), er sei auf die Einbeziehung einer Zinsanpassungsregelung in ein Vertragsverhältnis mit einzelnen Kunden der Beklagten bezogen und deshalb nicht verallgemeinerungsfähig. Tatsächlich liegt das Ziel des Feststellungsantrages zu 1. aber in der Überprüfung der Wirksamkeit der von der Beklagten formularmäßig vorgegebenen Zinsanpassungsklausel selbst, nicht aber in deren Vereinbarung im Einzelfall. Die Wirksamkeit der Klausel ist damit generalisierbar und ein statthaftes Feststellungsziel der Musterfeststellungsklage.

Der Antrag zu 1 - und in der Folge die weiteren Anträge - ist auch nicht zu unbestimmt, weil er nicht erkennen ließe, auf welchen Lebenssachverhalt er sich bezieht, wie die Beklagte dies meint (Schriftsatz vom 17.03.2021, S. 5). Aus dem Feststellungsziel zu 1 ergibt sich in der Zusammenschau mit der Klage (Seiten 9 f.), dass es Verträge zwischen der Beklagten und Kunden mit Verbrauchereigenschaft in Sparverträgen mit der Bezeichnung „S-Prämiensparen flexibel“ betrifft, die eine von zwei zitierten Vertragsregelungen, eine bestimmte Prämienstaffel und eine dreimonatige Kündigungsfrist des Kunden aufweisen. Zu diesem Lebenssachverhalt zählen zwar nicht Fallgestaltungen mit einer anderen Prämienregelung und einer festen Laufzeit wie der von der Klägerin versehentlich als K 14 vorgelegte Sparvertrag. Dass die vorstehende Beschreibung aber trotzdem auf verschiedene Vertragsversionen zutrifft, worauf die Beklagte abhebt, steht der Bestimmtheit nicht entgegen, sondern hat nur Auswirkungen auf die Begründetheit der Musterfeststellungsklage, weil diese Verschiedenheit einheitlichen Feststellungen teilweise entgegen steht.

Auch der 2. Feststellungsantrag enthält ein zulässiges Feststellungsziel, weil sich im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Verbrauchern die Rechtsfrage nach einer anderweitigen Bestimmung des zu berechnenden Zinssatzes des variablen Zinses stellt, wenn dem 1. Feststellungsantrag entsprochen wird. Dabei werden durch den Haupt- und die Hilfsanträge jeweils Möglichkeiten der Bestimmung der Zinshöhe bezeichnet. Dahinstehen kann, ob die Beklagte zu Recht annimmt (Klageerwiderung, S. 85), Ansprüche selbst seien keine statthaften Feststellungsziele. Die Formulierung, „dass die Beklagte verpflichtet ist“, zielt gar nicht auf die Feststellung eines Anspruchs, sondern nur auf Vorfragen desselben wie die nach dem Zinssatz.

Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für den Feststellungsantrag zu 3., der im Ergebnis zulässig ist.

Zulässig sind auch die Feststellungsanträge zu 5. bis 7., die jeweils Elemente eines Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Verbrauchern enthalten. Der Feststellungsantrag zu 5. ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Zinsansprüche der Verbraucher gerichtet, behandelt also eine Rechtsfrage, die im Rahmen der Forderungsverjährung von erheblicher Bedeutung ist, welche wegen der Langfristigkeit der Prämiensparverträge im Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Verbrauchern eine wichtige Rolle spielt. Unerheblich ist die von der Beklagten thematisierte Frage (Klageerwiderung, S. 87), ob sie bereits in einzelnen Rechtsverhältnissen die Verjährungseinrede erhoben hat, weil sie diese jederzeit erheben kann und schon diese Möglichkeit das Interesse der Verbraucher an einer gerichtlichen Feststellung begründet. Zu den im Musterfeststellungsverfahren feststellungsfähigen rechtlichen Voraussetzungen für das Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen gehören auch rechtsvernichtende Einwendungen wie die Verjährung und die Verwirkung. Ob deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen vorliegen, ist für die klagenden Verbraucher von der gleichen Bedeutung wie das Bestehen des Anspruches. Bestehende Unsicherheiten können hier durch die zu treffende Feststellung beseitigt werden. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf den Bundesgerichtshof (Beschluss vom 10.06.2008, XI ZB 26/07), um zu begründen, dass Fragen der Verjährung nicht feststellungsfähig seien, weil sie eine Einrede und nicht den Bestand des Anspruchs betreffen (Schriftsatz vom 17.03.2021, S. 6). Der BGH hat a.a.O. nur ausgeführt, dass die Feststellung der Verjährung nicht Gegenstand eines Musterfeststellungsantrags sein kann, weil der Verjährungsbeginn für jeden Gläubiger individuell festgestellt werden müsse. Das schließt es nicht aus, für alle Verträge gleichermaßen geltende Vorfragen zu klären.

Die von der Beklagten monierte Unbestimmtheit der Anträge 5 bis 7 besteht nicht, weil die von ihr aufgeworfenen Fragen (Klageerwiderung, S. 74) - um wessen Ansprüche es gehe und welcher Art diese seien (5.), wessen Kenntnis gemeint sei (6.) und um welche Sparbücher es gehe (7.) - mit Hilfe des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts und der Anträge zu beantworten sind.

Unzulässig ist aber der 4. Feststellungsantrag, weil ihm die Konnexität fehlt. Er ist auf eine konkrete Zinsberechnung durch die Beklagte in einem Einzelfall gerichtet und damit auf eine Frage, welche einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich ist. Nicht als Feststellungsziel geeignet sind nämlich solche Fragen, die nur individuell entschieden werden können und nicht bei den Ansprüchen der Verbraucher gleichermaßen bedeutsam sind (vgl. Stadler, a.a.O., § 606 Rn. 12). Es geht um die Klärung grundsätzlicher, in einer Vielzahl von Fällen wiederkehrender tatsächlicher und rechtlicher Fragen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2019, VI ZB 59/18, NJW 2020, 341 Rn. 14). Die Einzelfallprüfung der richtigen Zinsberechnung kann nicht Gegenstand des Musterfeststellungsverfahrens, sondern nur diejenige eines Individualklageverfahrens sein. Nach Sinn und Zweck der Musterfeststellungsklage sind nur solche Tatsachen und Rechtsfragen feststellungsfähig, die verallgemeinerbar sind. Zu diesen zählt nicht der individuelle Anspruch des einzelnen Verbrauchers gegen die Beklagte, der im Musterfeststellungsverfahren weder als Leistungs- noch als Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten verfolgt werden kann.

4. Der Kläger hat i.S.v. § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass von den Feststellungszielen die Ansprüche von mindestens 10 Verbrauchern abhängen.

Er hat dargelegt, dass es sich bei den in der Klageschrift benannten natürlichen Personen um Verbraucher i.S.v. §§ 29c Abs. 2, 606 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt. Der Senat legt dabei zugrunde, dass der Verbraucherbegriff unter Heranziehung von § 29c Abs. 2 ZPO prozessual zu definieren ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.11.2018, 4 MK 1/18, BeckRS 2018, 30499 Rn. 13; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 29c Rn. 6a). Es kommt also darauf an, dass die betroffene natürliche Person bei der Begründung des Anspruches bzw. des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat. Diese Voraussetzungen sind bei den hier in Streit stehenden und der privaten Vermögensbildung dienenden Sparverträgen erfüllt. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass die in der Klageschrift genannten natürlichen Personen - teils in Personenmehrheit - in jeweils mehr als 10 Fällen in den Jahren 1993 bis 2004 mit der Beklagten einen Sparvertrag „S-Prämiensparen flexibel“ mit den Formulierungen „Die Spareinlage wird variabel, zur Zt. mit ...% p.a. verzinst.“ bzw. „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres [...]“ geschlossen haben.

5. Es haben bis zum Stichtag am 14.10.2020, und damit innerhalb von 2 Monaten nach der öffentlichen Bekanntmachung der Musterklage im Klageregister des Bundesamtes für Justiz gemäß § 607 Abs. 1 ZPO ausweislich des vom Bundesamt für Justiz übersandten Auszuges vom 28.10.2020 nach § 609 Abs. 5 S. 1 ZPO 651 Verbraucher ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet. Nach Übermittlung des Auszuges an die Parteien gemäß § 609 Abs. 5 S. 2 ZPO haben diese Einwände nicht erhoben.

B.

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die streitgegenständlichen Prämiensparverträge sind nicht als Darlehensverträge, sondern als unregelmäßige Verwahrungsverträge gemäß § 700 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen, weil sie für die Verbraucher nicht die für den Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 S. 1 BGB typische Pflicht des Darlehensgebers enthalten, dem Darlehensnehmer den Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920 Rn. 26). Die Prämiensparverträge gehen zwar davon aus, dass die Verbraucher die in ihnen geregelten Sparbeiträge erbringen werden, enthalten aber keinen durchsetzbaren Anspruch der Beklagten auf Zahlung dieser Sparbeiträge. Zwar bleibt die Nichtzahlung der Sparbeiträge durch die Verbraucher nicht völlig sanktionslos, denn die Prämiensparverträge sehen vor, dass der Sparvertrag beendet wird, wenn die Sparbeiträge nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit, spätestens bis zum Ende des Sparjahres, nachgeholt werden. Auch aus dieser Regelung der Prämiensparverträge ergibt sich aber kein durchsetzbarer Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Sparbeiträge durch die Verbraucher, so dass sie nicht als Darlehensverträge, sondern als unregelmäßige Verwahrungsverträge zu qualifizieren sind (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, 8 U 1770/18, NJW 2020, 620 Rn. 16). Auf die Prämiensparverträge als unregelmäßige Verwahrungsverträge finden allerdings gemäß § 700 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorschriften über den Darlehensvertrag Anwendung, weil es um die Überlassung von Geld geht, wobei die Regelungen zum Kündigungsrecht aus §§ 488 Abs. 3, 489 BGB nicht anwendbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, a.a.O. Rn. 40).

1. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte hat mit den Verbrauchern einen variablen Zinssatz vereinbart, indem sie die Formulierungen „Die Spareinlage wird variabel, zur Zt. mit ...% p.a. verzinst.“ bzw. „Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ... %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres“ verwendet hat. Die Regelungen sind insoweit wirksam, was vom Klageantrag zu 1. auch nicht in Frage gestellt wird, als darin ein variabler Zins und der anfängliche Vertragszins für die Prämiensparverträge vereinbart werden, weil dies eine gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Klauselkontrolle nicht unterliegende Preisregelung der Parteien ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 16 f.; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 16). Unwirksam sind aber die von der Beklagten formularmäßig gegenüber den Verbrauchern verwendeten Zinsanpassungsklauseln, welche der Beklagten hinsichtlich der Bestimmung des variablen Zinssatzes ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB gewähren, weil diese nur dann der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhalten, wenn sie für die Verbraucher ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweisen, was hinsichtlich der von der Beklagten verwendeten Zinsanpassungsklauseln, welche ihr die nicht näher begrenzte Befugnis einräumen, den Verbrauchern den jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu zahlen, nicht zutrifft (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2004, XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 f.; Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 12 f.; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 15; Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 508/15, NJW-RR 2017, 942 Rn. 18). Die vom Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung teilt der Senat (so bereits Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 53 f.; ebenso OLG Köln, Urteil vom 18.06.2014, 13 U 27/06, BeckRS 2014, 12544).

Diese Rechtsprechung ist auch auf Verträge zu übertragen, die zu einem Zeitpunkt geschlossen worden waren, zu dem die Entscheidung weder verkündet noch vorhersehbar war. Nicht die Rechtslage hat sich nämlich dadurch geändert, sondern es ist nur deren, für die Beklagte allerdings wirtschaftlich nachteilige, Konkretisierung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt. Diese betrifft auch kein zum Zeitpunkt der Vereinbarungen nicht geltendes Recht, zumal der Inhalt von § 308 Nr. 4 BGB dem Inhalt von § 10 Nr. 4 AGBG entspricht. Die der Vereinbarung einer Klausel nachfolgende Erkenntnis über deren Unwirksamkeit führt nicht dazu, dass die Folgen dieser Erkenntnis erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung zur Anwendung kommen. Vielmehr war die Klausel von Vertragsbeginn an nicht anzuwenden.

2. In Bezug auf den Feststellungsantrag zu 2. kann nicht der Hauptantrag festgestellt werden, sondern lediglich der 2. Hilfsantrag. Der Kläger nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass Folge der oben dargestellten Rechtslage, nämlich der Wirksamkeit der Variabilität des Zinssatzes einerseits und der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsregelung andererseits, eine Lücke der vertraglichen Regelung ist, welche durch das angerufene Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 18; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 18). Entscheidend ist danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsänderungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre, wobei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten nach § 315 Abs. 1 BGB ebenso wenig in Betracht kommt wie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Verbraucher nach § 316 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 18 f.). Nach diesen Kriterien hat das Gericht die Zinsanpassung auf der Grundlage dessen zu bestimmen, was die redlichen Vertragsparteien im Zuge ihrer zum Vertragsschluss führenden Verhandlungen vereinbart hätten, wenn sie den Punkt konkret als regelungsbedürftig bedacht hätten, wobei sämtliche zum Vertragsschluss führenden Aspekte einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2005, VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996 Rn. 35; Urteil vom 29.01.2020, VIII ZR 75/19, BeckRS 2020, 2768 Rn. 68). Ausgangspunkt der ergänzenden Regelung ist der abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des „wirklich Gewollten her weitergedacht“ werden muss (vgl. Roth in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Update Stand 28.03.2021, § 157 Rn. 31).

Aus den genannten Kriterien für die ergänzende Vertragsauslegung ergibt sich, dass dies nicht im Zuge des Feststellungsziels einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle von der Beklagten im Zeitraum der Verwendung der Zinsanpassungsklausel geschlossenen Verträge festgestellt werden kann, weil jeweils Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung der konkret geschlossene Vertrag ist, welcher sich in Bezug auf das Abschlussdatum und die konkreten Umstände, innerhalb deren der Vertrag geschlossen wurde, von anderen Verträgen mit derselben Zinsanpassungsklausel unterscheidet.

Maßgeblich ist weiter, dass sich innerhalb des genannten Zeitraums im deutschen Finanzsystem wesentliche Veränderungen ereigneten, etwa der Euro zum 01.01.1999 als Buchgeld und zum 01.01.2002 als Bargeld eingeführt und wesentliche Referenzzinssätze, etwa Diskont- und Lombardsatz und FIBOR, übergeleitet worden sind. Im Zuge dessen kam es auch zum Auslaufen der früheren Bundesbank-Zinsstatistik im Juni 2003 und zur Einführung der MFI-Zinsstatistik, die nach einheitlicher Methode in den Ländern des Euroraumes erhoben wird. Dies steht der Annahme entgegen, in Bezug auf sämtliche Prämiensparverträge, welche innerhalb eines Zeitraums von vielen Jahren geschlossen wurden, ergebe die nach den oben genannten Kriterien durchzuführende ergänzende Vertragsanpassung die Anknüpfung der zu ermittelnden Zinsanpassungsregelung an denselben Referenzzins.

Zudem haben die Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, nicht wortgleiche Verträge abgeschlossen. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus dem Vortrag der Parteien, auch wenn man die von den Parteien als Anlagen K 14 bzw. B 21 und 22 vorgelegten Vertragskonstellationen - als nicht zum beschriebenen Lebenssachverhalt gehörend - außer Acht lässt. Der Kläger legt zwei verschiedene Klauseln vor, die auch in zwei verschiedene Gestaltungen eingebettet sind: Die eine Klausel ist in einem auszufüllenden Formular zu finden, das teils als Antrag (Anlage K 5) und teils als Bestätigung ausgestaltet ist und in einzelnen Fällen auch andere Sparprodukte ausweist (vgl. die abweichende Gestaltung in den Anlagen K 10 und 13). Die andere Klausel findet sich in einem Bestätigungsschreiben, das die wesentlichen Konditionen benennt (Anlagen K 15 bis 28). Hinzu kommt, dass vielfach eine Einmalzahlung möglich war und hiervon in mehreren vorgelegten Verträgen (vgl. nur die Anlagen K 9, 15, 16, 24 bis 26) auch in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht worden ist. Einige der vom Kläger vorgelegten Verträge weisen außerdem die Möglichkeit einer Dynamisierung der Einzahlungen aus, teils begrenzt auf jährlich 10 % (Anlagen K 1 bis 9, 11 bis 12), teils ohne eine solche Begrenzung der Dynamisierung und mit der Wahlmöglichkeit „linear/progressiv“ (Anlagen K 10 und 13). Unter diesen Umständen trifft - worauf die Beklagte schriftsätzlich und der Senat im Termin auch hingewiesen haben - die Behauptung des Klägers nicht zu, die streitgegenständlichen Sparverträge würden keine individuellen Abweichungen aufweisen und sich für eine generalisierende Feststellung eignen. Vielmehr lässt sich nicht feststellen, dass in jedem Einzelfall von demselben Vertragswerk ausgehend die ergänzende Vertragsauslegung des einzelnen Verbrauchervertrages erfolgen kann. Der Senat kann auch nicht auszuschließen, dass der verfahrensgegenständliche Lebenssachverhalt weitere Vertragsgestaltungen umfasst. Das Verfahren der Musterfeststellungsklage beteiligt die ihre Ansprüche anmeldenden Verbraucher nicht als Parteien des Rechtsstreits und ist nicht auf die Feststellungen einzelner Vertragsverhältnisse, sondern auf die Klärung grundsätzlicher, in einer Vielzahl von Fällen wiederkehrender tatsächlicher und rechtlicher Fragen ausgerichtet.

Im Ergebnis kann die ergänzende Vertragsauslegung nicht verallgemeinerbar für sämtliche vom Musterfeststellungsverfahren betroffenen Verbraucher festgestellt werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 60).

Aufgrund der fehlenden Generalisierbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung ist auch der 1. Hilfsantrag zum 2. Feststellungsantrag unbegründet, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass in einzelne Verträge der Beklagten mit den Verbrauchern Aspekte eingeflossen sind, die ein verbindliches Zurückgreifen auf einen Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank für alle von der Musterfeststellungsklage betroffenen Verträge verbieten. Allein aus der Vereinbarung der im Feststellungsantrag zu 1. genannten Klauseln ergibt sich das nicht mit der für eine Feststellung im Rahmen der Musterfeststellungsklage erforderlichen Sicherheit (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 61).

Das 2. Feststellungsziel ist jedoch mit dem 2. Hilfsantrag, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommt, begründet. Die begehrte Feststellung ist generalisierbar und auf alle denkbaren Vertragsgestaltungen anwendbar. Nach Maßgabe der dort genannten Grundsätze kann der jeweilige Zinssatz im Einzelfall im Wege der ergänzenden Auslegung des konkreten Prämiensparvertrages bestimmt werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 62).

3. In Bezug auf den Feststellungsantrag zu 3. ist die Klage teilweise begründet, denn es war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung aufgrund des nach dem Feststellungsziel zu 2. zu ermittelnden Referenzzinssatzes monatlich vorzunehmen, während nicht festgestellt werden konnte, dass dabei das relative Verhältnis zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz zum gleitenden Durchschnitt des nach dem Feststellungsziel zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewahrt bleibt.

Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung kann zugrunde gelegt werden, das verständige Parteien, welche eine indexabhängige Zinsanpassung begehren, einen Anpassungszeitraum wählen werden, der ihnen eine möglichst genaue Anpassung ohne zeitliche Verzögerung ermöglicht. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Parteien, wenn sie das Problem der erforderlichen Anpassungsintervalle bedacht hätten, das Modell mit der größten Genauigkeit, das aber zudem auch noch im Verwaltungsaufwand beherrschbar ist, gewählt hätten, welches die monatliche Anpassung ist. Praktische Probleme bei der Zinsberechnung auf der Grundlage monatlich angepasster Zinsen sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass bei den Sparbeiträgen jeweils ein monatliches Zahlungsintervall vereinbart wurde (Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 70 ff.).

Dagegen ist es dem Senat im Rahmen des vorliegenden Musterfeststellungsverfahrens verwehrt, eine Feststellung zur konkreten Methode der Zinsberechnung zu treffen, weil diese Teil der ergänzenden Vertragsauslegung ist, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht generalisierbar ist. Die vom Feststellungsantrag zu 3. umfasste Feststellung in Bezug auf das Äquivalenzgefüge kann deshalb vom Senat nicht getroffen werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 73).

4. Der Antrag zu 5. auf Feststellung, dass der vertragliche Anspruch der Verbraucher in Bezug auf das Guthaben aus den Prämiensparverträgen einschließlich der nach den Feststellungszielen zu 2. und zu 3. zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages fällig wird, ist begründet.

Die Zinsansprüche werden erst mit der Beendigung des Prämiensparvertrages, gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches auf das Kapital fällig, wenn - wie hier in Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr - vertraglich vereinbart ist, dass die Zinsen zum Jahresende dem Kapital zugeschlagen werden und damit vereinbarungsgemäß als umgewandelt anzusehen sind; dies gilt auch hinsichtlich zu gering festgeschriebener und in Kapital umgewandelter Zinsen (vgl. BGH, Urteil vom 04.06.2002, XI ZR 361/01, NJW 2002, 2707, 2708; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 20.08.1997, 23 U 166/96, NJW 1998, 997, 999; Urteil vom 22.10.2004, 2 U 12/04, Rn. 26; OLG Köln, Urteil vom 16.01.2008, 13 U 27/06, BeckRS 2011, 3039; Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 89; OLG Dresden, Urteil vom 14.05.2020, 8 U 538/19; Schürmann/Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., Kap. 14 § 70 Rn. 31; EBJS, Bank- und Börsenrecht III, Rn. III 1 bis III 35, zitiert nach beck-online; Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, Update Stand 18.06.2020, § 197 Rn. 80). Nur so ist der Gläubiger des Sparbuchs der Sorge enthoben, darauf zu achten, dass er das Sparbuch rechtzeitig vorlegt, um eine Verjährung der länger als vier Jahre zurückliegenden Zinsansprüche zu vermeiden.

Hieran ändert auch die Möglichkeit, auf Gutschrift zu klagen, nichts (Peters/Jacoby a.a.O.; a.A. Furche/Götz WM 2019, 2290, 2302). Eine andere Bewertung würde vor allem in den Fällen, in denen Kautionssparbücher bei Dritten hinterlegt werden, zu unerträglichen Ergebnissen führen, da sich Sparkassen und Banken gegenüber den Treugebern nach Jahren leicht auf Verjährung berufen könnten, wenn während der Hinterlegung zu geringe Zinsen gutgeschrieben worden sind.

Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten (Klageerwiderung, S. 125), die für den variablen Zinsanspruch vorzunehmende Zinsanpassung begründe einen zweiten Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB, für den die Verjährung gesondert läuft. Diese Ansicht führte zu einer künstlichen Aufspaltung des zwischen den Vertragsparteien einheitlich vereinbarten Rückzahlungsanspruches. Gemäß § 194 Abs. 1 BGB unterliegt ein Anspruch, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu fordern, der Verjährung. Einen Anspruch auf die isolierte Auszahlung der Guthabenzinsen haben die Verbraucher mit der Beklagten gerade nicht verabredet. Dieses Recht verliert der Verbraucher der Verbraucher im Hinblick auf die Zinsgutschrift zwei Monate nach dem Jahresbeginn (Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr).

Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch der Umstand, dass Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung zu viel entrichteter Zinsen – beispielsweise eines Darlehensnehmers wegen einer unwirksamen Zinsanpassungsklausel - der dreijährigen Verjährung unterliegen, nicht dazu, dass – als allgemeiner Rechtsgedanke – für den umgekehrten Berichtigungs- und Nachzahlungsanspruch des Sparers gegen die Sparkasse nichts anderes gelten könne (so Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2301). Die Ansprüche beruhen auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen. Vor allem aber hat in dem zuerst genannten Fall der Darlehensnehmer durch Entrichtung des Zinses alles getan, um eine (endgültige) Erfüllung herbeizuführen, was es rechtfertigt, dass die Zahlung vom Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung herangezogen wird. Demgegenüber stellt die reine Gutschrift der Zinsen auf einem Konto im Fall von Sparverträgen nur einen buchhalterischen Zwischenschritt dar, um durch die zugleich vorgenommene Umwandlung in Kapital den Anknüpfungsbetrag für die künftige Zinsberechnung zu bestimmen, ohne dass damit eine Erfüllung der Ansprüche des Sparers auf Ausschüttung von Kapital und Zinsen einhergeht. Diese unterschiedliche Funktion ist Grund für die unterschiedliche verjährungsrechtliche Behandlung (OLG Dresden, Urteil vom 14.05.2020, 8 U 538/19).

5. Die mit dem Antrag zu 6. begehrte Feststellung war unabhängig davon nicht zu treffen, dass die Verjährung erst mit der jeweiligen Kündigung der Sparverträge in Lauf gesetzt wird.

Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1, 2 BGB voraus, dass der jeweilige Verbraucher die seinen Anspruch auslösenden tatsächlichen Umstände kannte bzw. sich der Kenntnis der Umstände nicht verschließen konnte. Im Allgemeinen liegt die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von den Tatsachen, die den jeweiligen Anspruch begründen, bereits dann vor, wenn dem Rechtsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Der Einzelne muss weder alle bedeutenden Umstände kennen noch bereits über hinreichende Beweismittel verfügen, um den Prozess im Wesentlichen sicher führen zu können. Maßgeblich ist die Kenntnis von den Tatsachen, die das Verfolgen der Ansprüche ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2008, XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27; Senatsurteil vom 09.09.2015, 5 U 421/15, WM 2015, 2280).

Hier waren den Verbrauchern im Zeitpunkt der Kenntnis von der jeweiligen Zinsgutschrift bereits die objektiven Umstände bekannt, auf die sie nun ihre Ansprüche auf einen höheren als den gutgeschriebenen Zins stützen, denn sie kannten ihren Vertrag, ihr Guthaben und die von der Beklagten vorgenommenen Zinsgutschriften (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 24.02.2012, 3 U 687/11, BeckRS 2012, 17608 Rn. 35). Spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.02.2004 (a.a.O.) kann auch keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage mehr angenommen werden; vielmehr war jedenfalls nach dieser Entscheidung eine Klageerhebung zumutbar (vgl. OLG Koblenz a.a.O.).

6. Auch der auf die Feststellung, allein die widerspruchslose Zinsgutschrift im Sparbuch führe nicht dazu, dass das Umstandsmoment für die Verwirkung gegeben ist, gerichtete Feststellungsantrag zu 7. ist unbegründet.

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles, ohne dass insoweit auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, NJW 2018, 1390 Rn. 9).

Nach diesen Kriterien kann das Umstandsmoment für die Verwirkung nicht generalisierend einheitlich für sämtliche vom Musterfeststellungsverfahren erfasste Prämiensparverträge festgestellt werden, denn es geht um das individuelle Verhalten des einzelnen Verbrauchers, welches zudem einer Gesamtwürdigung anhand von festgestellten Tatsachen unterzogen werden muss. Mit dem Feststellungsziel zu 7. wird danach keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage verfolgt, so dass eine Feststellung im Rahmen der Musterfeststellungsklage nicht erfolgen kann.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Bei ihr war zu berücksichtigen, dass jedes Feststellungsziel einen eigenen Streitgegenstand begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2019, VI ZB 59/18, NJW 2020, 341 Rn. 10). Angesichts des Teilerfolgs bei einigen Feststellungsanträgen sowie des teilweisen Durchgreifens und der teilweisen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit der Hilfsanträge, soweit über sie entschieden werden musste, hält der Senat eine Aufhebung der Kosten für gerechtfertigt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 614 S. 2 ZPO). Daher kommt es nicht darauf an, ob in § 614 S. 2 ZPO die Zulassung der Revision bereits durch den Gesetzgeber erfolgt ist (so: Waclawik NJW 2018, 2923) oder, wofür der Wortlaut des § 543 Abs. 1 ZPO spricht, die Zulässigkeit der Revision dem Rechtsmittelsystem der ZPO entsprechend von ihrer Zulassung abhängig ausgestaltet, es also der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht oder den Bundesgerichtshof bedarf, hinsichtlich derer jedoch gemäß § 614 ZPO ein gebundenes Ermessen besteht.

PD Dr. Dr. Klose

Kühn

Alberts

Bekanntmachung vom 14.01.2021, Oberlandesgericht Dresden, Termin

Bezeichnung des Termins: Erster Termin

Datum: 31.03.2021

Uhrzeit: 11:30 Uhr

Sitzungsort: Oberlandesgericht Dresden, Prozessgebäude

Raum: Saal 1

Straße, Hausnummer: Hammerweg 26

PLZ, Ort: 01127 Dresden