Navigation und Service

Stand des Verfahrens

Die Bekanntmachungen sind in zeitlicher Reihenfolge sortiert (jüngste zuerst).

Allgemeine Verfahrensdaten

Gericht: Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 5 MK 3/20

Bekanntmachung vom 28.06.2024, Oberlandesgericht Dresden, Urteil

Datum der Entscheidung: 19.06.2024

Urteil vom 19.06.2024, Oberlandesgericht Dresden (PDF, 220KB, Datei ist barrierefrei)

Bekanntmachung vom 17.05.2024, Oberlandesgericht Dresden, Termin

Bezeichnung des Termins: Verkündungstermin

Datum des Termins: 19.06.2024

Uhrzeit: 10:00

Sitzungsort: Dresden

Raum: Saal 1.3.

Straße, Hausnr.: Schloßplatz 1

PLZ: 01067

Ort: Dresden

Bekanntmachung vom 17.01.2024, Oberlandesgericht Dresden, Termin

Bezeichnung des Termins: Termin zur mündlichen Verhandlung

Datum des Termins: 15.05.2024

Uhrzeit: 13:00 Uhr

Sitzungsort: Dresden

Raum: 1.3

Straße, Hausnr.: Schloßplatz 1

PLZ: 01067

Ort: Dresden

Bekanntmachung vom 31.05.2023, Bundesgerichtshof, Entscheidung oder andere

Das Verfahren wurde durch das folgende Urteil des Bundesgerichtshofs, verkündet am 25.04.2023, teilweise beendet. In dem aus dem folgenden Urteil ersichtlichen Umfang erfolgte eine Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

XI ZR 225/21

Verkündet am:
25. April 2023

Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Verbraucherzentrale Sachsen e.V., vertreten durch den Vorstand, Katharinenstraße 17, Leipzig,

Musterkläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagter,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Hartung -

gegen

Sparkasse Meißen, vertreten durch den Vorstand, Hauptstraße 70, Riesa,

Musterbeklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Prof. Dr. Siegmann -

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2023 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Matthias, Dr. Schild von Spannenberg und Dr. Sturm sowie die Richterin Ettl für Recht erkannt:

Auf die Revision des Musterklägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. März 2021 im Kostenpunkt und hinsichtlich der Abweisung des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 aufgehoben sowie hinsichtlich der zu dem Feststellungsziel 3 getroffenen Feststellung teilweise abgeändert.

Auf die Revision der Musterbeklagten wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der zum zweiten Hilfsantrag des Feststellungsziels 2 getroffenen Feststellung aufgehoben.

Es wird folgende Feststellung getroffen:

Die Musterbeklagte ist verpflichtet, die Zinsänderung in den Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel" monatlich vorzunehmen und dabei das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 zu wahren (Feststellungsziel 3).

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Musterkläger, ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen (sog. "S-Prämiensparen flexibel", nachfolgend: Sparverträge) gegen die Musterbeklagte.

Die Musterbeklagte bzw. deren Rechtsvorgänger (nachfolgend einheitlich: Musterbeklagte) schloss von den 1990er-Jahren bis zum Anfang dieses Jahrhunderts mit Verbrauchern Sparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach ­ bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr ­ gestaffelte verzinsliche Prämie vorsahen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes. In ihnen heißt es u.a.:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% verzinst."

Der Musterbeklagten war formularmäßig die Befugnis eingeräumt, Verbrauchern den durch Aushang bekannt gemachten Zins zu zahlen.

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" der Musterbeklagten heißt es u.a.:

"4. Kündigung

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. …"

Der Musterkläger hält die Regelung zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.

Mit der Musterfeststellungsklage hat er die Feststellungen begehrt, dass die Sparverträge allein durch die Formulierung "Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit …% verzinst" keine wirksame Zinsänderungsregelung enthalten (Feststellungsziel 1), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die Sparverträge auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten zehn Jahre auf Grundlage des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren (ehemalige Zeitreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank), hilfsweise auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen langfristigen (neun bis zehn Jahre) Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, hilfsweise auf der Grundlage eines langfristigen (neun bis zehn Jahre) angemessenen und in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, vorzunehmen (Feststellungsziel 2), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung monatlich unter Wahrung des relativen Verhältnisses zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 vorzunehmen, hilfsweise die Zinsänderung nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich Anpassungsintervall, Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen (Feststellungsziel 3), dass die tatsächliche Zinsänderung der Musterbeklagten weder nach dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 noch nach den Anpassungsparametern im Sinne des Feststellungsziels 3 erfolgte (Feststellungsziel 4), dass vertragliche Ansprüche von Kunden der Musterbeklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf die Zinsen frühestens ab der wirksamen Beendigung ihres Sparvertrags fällig werden (Feststellungsziel 5), dass allein durch die Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlage, anhand derer die Höhe der tatsächlich gutzuschreibenden Zinsbeträge zu ermitteln war, begründet wurde (Feststellungsziel 6) und dass allein die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschrift im Sparbuch nicht dazu führt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Nachberechnung und Auskehrung von Zinsen verwirkt sind (Feststellungsziel 7).

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage hinsichtlich des Feststellungsziels 1, hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2, hinsichtlich des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3 bezüglich der Vornahme einer monatlichen Zinsänderung und hinsichtlich des Feststellungsziels 5 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage hinsichtlich der Feststellungsziele 2, 3, 6 und 7 als unbegründet und hinsichtlich des Feststellungsziels 4 als unzulässig abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Musterkläger sein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung des Feststellungsziels 2 weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen haben Erfolg.

A.

Die Musterfeststellungsklage ist zulässig. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 606 ZPO zu Recht bejaht. Bedenken hiergegen bringt die Revision der Musterbeklagten nicht vor.

B. Revision des Musterklägers

Die Revision des Musterklägers hat Erfolg.

I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2021, 9159 veröffentlichten Entscheidung ­ soweit für die Revision des Musterklägers von Bedeutung ­ im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsziel 2, das darauf gerichtet sei, den Referenzzinssatz für die im Streit stehenden Sparverträge zu bestimmen, sei zulässig. Es sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unbegründet. Da die Zinsänderungsklausel unwirksam sei und dispositives Recht insoweit fehle, sei die entstehende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, die durch das Gericht vorzunehmen sei. Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung sei der konkret abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des "wirklich Gewollten her weitergedacht" werden müsse. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung könne nicht im Zuge einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle Verträge vorgenommen werden, weil sich die Sparverträge hinsichtlich des Abschlussdatums und der konkreten Umstände unterschieden, die zum Vertragsschluss geführt hätten. Auch hätten die Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Klageregister angemeldet hätten, keine wortgleichen Verträge abgeschlossen.

Das Feststellungsziel 3 sei zulässig und hinsichtlich des Hauptantrags insoweit unbegründet, als der Musterkläger mit ihm die Feststellung begehre, dass bei den von der Musterbeklagten monatlich vorzunehmenden Zinsanpassungen das relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsabschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem zu bestimmenden Referenzzinssatz gewahrt bleibe. Dem Oberlandesgericht sei eine Feststellung hierzu im Rahmen einer Musterfeststellungsklage verwehrt, weil sie Teil der ergänzenden Vertragsauslegung sei, die "nicht generalisierbar" sei.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Revision des Musterklägers ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Musterbeklagten ist die Revision des Musterklägers insbesondere auch bezüglich des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 in der gesetzlichen Form des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO begründet worden (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und konkret darlegt, warum die Begründung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein soll (BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 ­ V ZR 250/10, WuM 2011, 543 Rn. 6; Beschlüsse vom 29. Juli 2014 ­ IV ZR 371/13, VersR 2015, 1121 Rn. 4 und vom 12. September 2022 ­ VIa ZR 230/22, juris Rn. 13). Dem genügt die Revisionsbegründung des Musterklägers. Denn er beanstandet die angefochtene Entscheidung unter anderem dahin, das Oberlandesgericht hätte hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 eine ergänzende Vertragsauslegung vornehmen müssen. Soweit das Oberlandesgericht eine solche Auslegung unterlassen hat, ist die Revisionsbegründung daher geeignet, dem angefochtenen Urteil die Grundlage zu entziehen. Das gilt auch für den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2.

2. a) Zu Recht ist das Oberlandesgericht von der Zulässigkeit des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 32) erkannt hat, hat das Feststellungsziel weder ausdrücklich noch verdeckt die Feststellung eines Leistungsanspruchs der Verbraucher gegen die Musterbeklagte zum Gegenstand.

b) Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht allerdings den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zurückgewiesen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts erkannt und eingehend begründet hat, hätte das Oberlandesgericht einen Referenzzinssatz für die variable Verzinsung des Sparguthabens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen müssen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 ­ XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 81 ff.; zustimmend Berger/Nettekoven, EWiR 2021, 705, 706). Unionsrechtliche Erwägungen stehen der Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 47 ff.; zustimmend Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 307 Rn. 393b;
Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2020, Updatestand: 30. April 2022, § 157 Rn. 47c.2; Edelmann, WuB 2022, 305, 308; Furche, WM 2022, 993, 995; Omlor, BKR 2022, 38, 49; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 36; kritisch BeckOGK BGB/Bonin, Stand: 1. Dezember 2022, § 306 Rn. 102.1; v. Westphalen, ZIP 2022, 1465 ff.; ders., NJW 2022, 288 Rn. 18 ff.). Nach dem Konzept der Sparverträge der vorliegenden Art ist es dabei allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (Senatsurteil, aaO Rn. 85; zustimmend Feldhusen, BKR 2022, 579, 585; kritisch Omlor, BKR 2022, 38, 50), wobei die Ansparphase Berücksichtigung finden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. April 2010 ­ XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 23). Neben der langen Fristigkeit des Referenzzinssatzes wird der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 91) oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite auch widerzuspiegeln haben, dass es sich bei den streitgegenständlichen Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (Senatsurteil vom 24. Januar 2023 ­ XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 18). Dabei wird die Anpassung des Vertragszinses entgegen der Ansicht des Musterklägers nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte erfolgen können (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2010 ­ XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 23 f.; zustimmend Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 55 ff.).

Das Oberlandesgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die vom Musterkläger in seinem Hauptantrag zum Feststellungsziel 2 genannte Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren (ehemalige Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank) als Referenzzinssatz den Interessen der Parteien eines Sparvertrags mit den typischen Merkmalen gerecht wird. Es wird dies daher mit sachverständiger Hilfe nachzuholen haben. Sollte das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Zinssatz den an ihn als Referenzzinssatz zu stellenden Anforderungen nicht genügt, wird es ­ ebenfalls sachverständig beraten ­ über den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden haben und dabei klären müssen, welcher konkrete, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinssatz als Referenzzinssatz heranzuziehen ist (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 ­ XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 86).

3. Mit Erfolg wendet sich der Musterkläger weiter gegen die teilweise Zurückweisung des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3.

Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts für vergleichbare Sparverträge erkannt hat, muss bei den von der Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben und nicht eine gleichbleibende absolute Gewinnmarge (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 ­ XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 95 ff.; im Ergebnis zustimmend Gebauer/Gramlich/Müller/Thießen, VuR 2022, 208, 214). Die ergänzende Vertragsauslegung kann der Senat selbst vornehmen (Senatsurteil, aaO Rn. 94). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen (Senatsurteil, aaO Rn. 96 mwN). Wie der Senat ebenfalls bereits eingehend begründet hat, stehen bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte der Anwendung der Verhältnismethode nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 100 ff.). Die Verhältnismethode widerspricht auch weder den Grundsätzen des Preisanpassungsrechts noch verleiht sie der Zinsanpassung einen von den Parteien nicht gewollten "spekulativen Charakter" (Senatsurteil vom 24. Januar 2023 ­ XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 23 ff.). Die Verhältnismethode ist im Vergleich zur Differenzmethode auch deswegen interessengerecht, weil sie bei positiven Referenzzinssätzen stets zu positiven Vertragszinsen führt und damit den Vorstellungen der an den Sparverträgen beteiligten Verkehrskreise entspricht, auch bei sinkenden ­ aber positiven ­ Marktzinsen Zinserträge mit der Spareinlage zu generieren, die im gleichen Verhältnis zum Marktzinsniveau stehen wie bei Vertragsschluss (Senatsurteil vom 24. Januar 2023, aaO Rn. 27).

C. Revision der Musterbeklagten

Die Revision der Musterbeklagten hat ebenfalls Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ­ soweit für die Revision der Musterbeklagten von Bedeutung ­ im Wesentlichen ausgeführt:

Der zweite Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 sei zulässig und begründet. Die Feststellung, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsänderung für die genannten Sparverträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes vorzunehmen, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, sei hinreichend generalisierbar und gelte für alle denkbaren Vertragsgestaltungen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht auf den zweiten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 festgestellt, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, vorzunehmen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts entschieden hat, ist diese Feststellung nicht klärungsbedürftig und verkennt den Kern des Rechtsschutzbegehrens des Musterklägers (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 ­ XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 36 f.).

D.

Nach alledem ist das Urteil des Oberlandesgerichts hinsichtlich des Feststellungsziels 3 teilweise und hinsichtlich des Feststellungsziels 2 insgesamt aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über das Feststellungsziel 3 kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es insoweit keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf. Dies führt zu der vom Musterkläger beantragten Feststellung.

Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz gemäß den Ausführungen unter B. II. 2. zu bestimmen haben (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 ­ XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 27 ff.). Dabei wird zu bedenken sein, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem Gerichtsverfahren eingeholt worden ist (vgl. u.a. OLG Dresden, WM 2022, 1973) oder von der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist.

Ellenberger

Matthias

Schild von Spannenberg

Sturm

Ettl

Bekanntmachung vom 10.02.2023, Bundesgerichtshof, Termin

Bezeichnung des Termins: Mündliche Verhandlung

Datum des Termins: 25. April 2023

Uhrzeit: 11:00 Uhr

Sitzungsort: Bundesgerichtshof

Raum: N 010

Straße, Hausnr.: Herrenstraße 45 A

PLZ: 76133

Ort: Karlsruhe

Bekanntmachung vom 12.05.2021, Bundesgerichtshof, Rechtsmittel

Revision eingelegt am: 04.05.2021

Revisionsgericht: Bundesgerichtshof

Aktenzeichen: XI ZR 225/21, Aktenzeichen des OLG Dresden: 5 MK 3/20

Revisionskläger: Sparkasse Meißen

gesetzlicher Vertreter: vertreten durch die Vorstände

Bekanntmachung vom 04.05.2021, Bundesgerichtshof, Rechtsmittel

Revision eingelegt am: 21.04.2021

Revisionsgericht: Bundesgerichtshof

Aktenzeichen: XI ZR 225/21, Aktenzeichen des OLG Dresden: 5 MK 3/20

Revisionskläger: Verbraucherzentrale Sachsen e.V.

gesetzlicher Vertreter: vertreten durch den Vorstand

Bekanntmachung vom 20.04.2021, Oberlandesgericht Dresden, Beendigung

Das erstinstanzliche Verfahren wurde beendet durch Urteil, verkündet am 31.03.2021:

Oberlandesgericht Dresden

Zivilsenat

Aktenzeichen: 5 MK 3/20

Verkündet am: 31.03.2021

Reinke, Justizbeschäftigte
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Katharinenstraße 17, 04109 Leipzig
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Andreas Eichhorst
- Kläger -

Prozessbevollmächtigte:
Derra, Meyer & Partner Rechtsanwälte PartGmbB, Königsbrücker Straße 61, 01099 Dresden, Gz.: 20/05390-BR

gegen

Sparkasse Meißen, Hauptstraße 70, 01587 Riesa
vertreten durch die Vorstände Daniel Höhn und Rainer Schikatzki
- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Furche & Schäfer, Hauptstraße 15, 01097 Dresden, Gz.: SMEI ./. VZ Sachsen e.V.

wegen Zinsen Spareinlagen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. Klose,
Richter am Oberlandesgericht Alberts und
Richter am Oberlandesgericht Kühn

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2021

für Recht erkannt:

I. Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagte mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“ allein durch die folgende Formulierung keine wirksame Zinsanpassungsregelung für den variablen Zinssatz formularmäßig vertraglich vereinbart hat: „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“;

2. die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die im Tenor zu 1. genannten Verträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, vorzunehmen;

3. die Beklagte dazu verpflichtet ist, aufgrund des gemäß des Tenors zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung zu den im Tenor zu 1. genannten Verträgen monatlich vorzunehmen;

4. vertragliche Ansprüche von Kunden der Beklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf die Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt einer wirksamen Beendigung ihres Prämiensparvertrages „S-Prämiensparen flexibel“ fällig werden.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, eine Verbraucherzentrale in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, begehrt im Rahmen einer Musterfeststellungsklage die Feststellung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Zinsberechnung bei von der Beklagten, einer Sparkasse, bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen, der Kreissparkassen Riesa-Großenhain und Meißen, ausgereichten im Detail teilweise unterschiedlich gestalteten Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“, die von der Beklagten bzw. ihren Vorgängerinstituten von den 90er Jahren bis zum Anfang dieses Jahrhunderts vertrieben wurden. Diese Sparverträge beruhten auf einer variablen Verzinsung. Die Anfangszinssätze hingen von dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Es wurde bei Vertragsschluss keine ausdrückliche Zinsanpassungsklausel vereinbart. Zusätzlich zum variablen Zins verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer auf die Jahressparleistung bezogenen verzinslichen „S-Prämie“, für die die Zahlungspflicht nach dem 3. Sparjahr mit 3 % begann und sich stufenweise bis zu 50 % im 15. Sparjahr steigerte. Im Hinblick auf die Verzinsung des Sparguthabens lauten die Verträge: „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“.

Nachdem der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit seinem Urteil vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588) in langfristig angelegten Sparverträgen formularmäßig vereinbarte Zinsänderungsklauseln, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumen wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam erklärt hatte, vereinbarte die Beklagte in der seit Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends neu abgeschlossenen Prämiensparverträgen die formularmäßigen Bedingungen dahin, dass die Zinsanpassung nunmehr nach einer Veränderung eines näher bestimmten Referenzzinssatzes erfolgen sollte.

Die Beklagte kündigte zwischenzeitlich die überwiegende Mehrzahl der Prämiensparverträge.

Der Kläger hält die zuvor formularmäßig verwendete Zinsanpassungsklausel ohne den Hinweis auf einen Referenzzinssatz wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam. Die dadurch entstehende Regelungslücke sei unter Anwendung der §§ 133, 157 BGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Die Beklagte sei nicht dazu befugt, die Leistung einseitig zu bestimmen. Als wichtigster Parameter sei für die Festlegung der Zinsen der Referenzzinssatz zu bestimmen, dessen Veränderung wiederum Auslöser für etwaige Zinsänderungen sei. Es müsse sich dabei um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatz handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt werde und die Bank nicht einseitig begünstige. Es sei unter den Referenzzinssätzen des Kapitalmarktes derjenige oder eine Kombination derjenigen Referenzzinssätze auswählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommen würden. Hierfür seien die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze prädestiniert. Es handele sich bei den streitgegenständlichen Verträgen um langfristige Spareinlagen, so dass der Referenzzinssatz auch an langfristigen Anlagen zu orientieren sei. Auch im Hinblick auf das Zinsanpassungsintervall sei eine Festlegung vorzunehmen. Eine Orientierung an dem Erscheinen der Bundesbankberichte sei sachgerecht. Die streitgegenständlichen Zinsansprüche seien auch weder verwirkt noch verjährt. Der Verjährung stehe bereits entgegen, dass sie frühestens mit der Kündigung fällig geworden seien. Im Hinblick auf die Verwirkung sei ein Umstandsmoment nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass

1. die Beklagte mit ihren Kunden, die Verbraucher sind, bei Abschluss der Sparverträge „S-Prämiensparen flexibel“ allein durch die folgende Formulierung keine wirksame Zinsanpassungsregelung für den variablen Zinssatz formularmäßig vertraglich vereinbart hat: „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“;

2. die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die im Antrag zu 1. genannten Verträge vorzunehmen auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes

a) der letzten 10 Jahre des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren (Zeitreihe BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910. R.A.A._Z._Z.A: Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe / RLZ von über 9 bis 10 Jahren / Monatswerte gemäß Statistik der Deutschen Bundesbank - frühere Kennung: WX4260);

b) hilfsweise zu a) entsprechend der Laufzeit eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen langfristigen (9 bis 10 Jahre) Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird;

c) hilfsweise zu a) und b) entsprechend der Laufzeit eines langfristigen (9 bis 10 Jahre) angemessenen und in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

3. die Beklagte verpflichtet ist, aufgrund des gemäß Antrag zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes die Zinsanpassung zu den im Antrag zu 1. genannten Verträgen

a) monatlich vorzunehmen, wobei das relative Verhältnis zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz zum gleitenden Durchschnitt des gemäß Antrag zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewahrt bleibt;

b) hilfsweise zu a) in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich Anpassungsintervall, Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen;

4. die tatsächliche Zinsanpassung, welche die Beklagte zu den im Antrag zu 1. genannten Verträgen vornahm, weder auf der Grundlage des gemäß Antrag zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes noch nach angemessenen Anpassungsparametern gemäß Antrag zu 3. erfolgte;

5. vertragliche Ansprüche von Kunden der Beklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf die Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt einer wirksamen Beendigung ihres Prämiensparvertrages „S-Prämiensparen flexibel“ fällig werden;

6. allein durch die Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften in den Sparbüchern für die im Antrag zu 1. genannten Verträge keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlage, anhand derer die Höhe der tatsächlich gutzuschreibenden Zinsbeträge zu ermitteln war, begründet wurde;

7. allein die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschrift im Sparbuch für die betroffenen Verbraucher nicht dazu führt, dass deren etwaige Ansprüche auf Nachberechnung und Auskehrung von Zinsansprüchen dem von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand der Verwirkung unterliegen und dadurch das sog. Zeitmoment erfüllt ist, zu dem die Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht gehört.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei den streitgegenständlichen Verträgen sei eine den Anforderungen des Urteils des XI. Zivilsenats des BGH vom 17.2.2004 (XI ZR 140/03) genügende Zinsanpassung vorgenommen worden. Sie habe die tatsächlichen Änderungen des Vertragszinses regelmäßig durch Preisaushang, oder in sonstiger Weise bekannt gemacht. Sämtliche Kunden hätten in den Jahren 2017 bis 2019 ein Formular „Abrechnung und Auflösung eines Sparkontos“ unterzeichnet.

Sie vertritt die Auffassung, in der Preishauptabrede „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit ... % verzinst“ sei von Anfang an keine Regelung über die Frage des „Wie“ der Zinsanpassung zu sehen gewesen. Nicht nur deshalb laufe das erste Feststellungsziel wegen des Fehlens des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ins Leere. Die Beklagte habe bereits vorprozessual anerkannt, dass diese Formulierung keine qualifizierte Zinsanpassungsregelung enthalte. Auch die mit dem Antrag zu 2.c) begehrte ergänzende Vertragsauslegung sei zweifelsfrei vorzunehmen. Die streitgegenständliche Zinsanpassungsregelung sei bei einer Vielzahl unterschiedlicher Prämiensparverträge verwandt worden, die im Hinblick auf den Referenzzinssatz „nicht über einen Kamm geschert werden“ dürften. Das betreffe insbesondere die Frage, von welcher Laufzeit auszugehen sei. Die Vertragsvielfalt werde durch den Kläger insgesamt nicht beachtet. Im Hinblick auf die Verjährung müsse berücksichtigt werden, dass der Zinsanspruch mit dem Ablauf des Jahres fällig und durchsetzbar gewesen sei. Etwaige Ansprüche der Sparer seien jedenfalls nach der Kündigung im Jahr 2017 vorgenommenen finalen Abrechnung endgültig erledigt. Die Rückgabe des Sparbuches entspreche der Herausgabe eines Schuldscheins. Die vorgenannten Gesichtspunkte würden dazu führen, dass die Musterfeststellungsklage bereits insgesamt unzulässig und jedenfalls unbegründet sei.

II.

Die Klage ist im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu Ziffer 4. unzulässig, im Übrigen zulässig, hat insoweit in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg.

A.

Die Musterfeststellungsklage ist mit den Hauptanträgen überwiegend zulässig, denn es handelt sich beim Kläger um eine qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 606 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Nr. 1 ZPO, von den Feststellungszielen zu 1. bis 3. und zu 5. bis 7., nicht aber vom Feststellungsziel zu 4., hängen Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von Verbrauchern i.S.v. § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (unmittelbare Konnexität) ab. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass diese Abhängigkeit für die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens 10 Verbrauchern besteht und es haben sich bis zum 9.12.2020, und damit binnen zwei Monaten nach der öffentlichen Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage am 09.10.2020 und der Eintragung im Register gemäß § 606 Abs. 3 Nr. 3 ZPO 303 und damit mehr als 50 Verbraucher mit ihren Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen wirksam zur Eintragung in das elektronische Klageregister beim Bundesamt für Justiz (§ 609 Abs. 1 ZPO) angemeldet. Soweit die Beklagte vorgerichtlich Teilaspekte der Rechtsfragen „anerkannt“ hat, wird dadurch das Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses nicht beeinträchtigt, weil dadurch für die Verbraucher keine Rechtssicherheit hergestellt worden ist.

1. Zugunsten des Klägers wird gemäß § 606 Abs. 1 S. 4 ZPO unwiderleglich vermutet, dass er eine zur Musterfeststellungsklage befugte qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 606 Abs. 1 S. 1, 2 ZPO ist, weil es sich beim Kläger um eine Verbraucherzentrale handelt und er glaubhaft gemacht hat, dass er überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.

So hat der Kläger ausweislich der als Anlage K 1 vorgelegten Berichte der 3D GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 08.06.2018, vom 20.05.2019 und vom 10.06.2020 im Jahre 2017 bei Gesamteinnahmen von 5.754.000,00 öffentliche Zuschüsse in Höhe von 4.749.000,00 und im Jahre 2018 bei Gesamteinnahmen in Höhe von 5.752.000,00 öffentliche Zuschüsse in Höhe von 4.964.000,00 und Gesamteinnahmen in Höhe von 6.235.474,00 im Jahr 2019 öffentliche Zuschüsse in Höhe von 5.363.788,00 erhalten. Zudem hat der Kläger mit dem Freistaat Sachsen, vertreten durch das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, am 20./23.05.2019 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit geschlossen, nach der er in den Haushaltsjahren 2019 bis 2023 jeweils Zuwendungen als institutionelle Förderung in Höhe von 3.100.000,00 pro Jahr erhalten soll, was mehr als der Hälfte der bisherigen jährlichen Gesamteinnahmen entspricht. Diesem Vortrag des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

2. Die unmittelbare Konnexität für die Feststellungsziele ist gegeben, wenn bei Richtigkeit des vorgetragenen Sachverhaltes den Verbrauchern Ansprüche zustünden, wobei nicht erforderlich ist, dass die Feststellungsziele sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Anspruches erfassen (vgl. Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 34; Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 606 ZPO Rn. 11; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 606 Rn. 12). Gegenstand eines Feststellungsziels können demzufolge auch Anspruchselemente sein (vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 17.06.2020 - 5 MK 1/20).

Danach verfolgt der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. das zulässige Feststellungsziel, dass in den Sparverträgen „S-Prämiensparen flexibel“ mit den im Antrag genannten Formulierungen keine wirksame Zinsanpassungsregel vereinbart worden ist, denn eine solche Zinsanpassungsklausel soll in allen Verträgen, die der Musterfeststellungsklage zugrunde liegen, vereinbart worden sein. Ob die Klausel einer rechtlichen Prüfung standhält, ist eine Rechtsfrage, die alle von der Klage erfassten Verträge gleichermaßen betrifft und die als rechtliche Grundlage eines Rechtsverhältnisses i.S.v. §§ 256 Abs. 1, 606 Abs. 1 S. 1 ZPO ein zulässiges Feststellungsziel sein kann (OLG Dresden, a.a.O.). Die Beklagte hält dem Antrag zu 1. zu Unrecht entgegen, er sei auf die Einbeziehung einer Zinsanpassungsregelung in ein Vertragsverhältnis mit einzelnen Kunden der Beklagten bezogen und deshalb nicht verallgemeinerungsfähig. Tatsächlich liegt das Ziel des Feststellungsantrages zu 1. aber in der Überprüfung der Wirksamkeit der von der Beklagten formularmäßig vorgegebenen Zinsanpassungsklausel selbst, nicht aber in deren Vereinbarung im Einzelfall. Die Wirksamkeit der Klausel ist damit generalisierbar und ein statthaftes Feststellungsziel innerhalb des Musterfeststellungsklageverfahrens.

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es im Hinblick auf den ersten Feststellungsantrag nicht deshalb an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte vorgerichtlich eingeräumt hatte, dass es in älteren Bestandsverträge an einem konkretisierten Zinsanpassungsmechanismus fehle. Diese vorgerichtlich geäußerte Rechtsauffassung ist nämlich in den zu erwartenden auf das Musterfeststellungsurteil folgenden Individual-Verfahren nicht verbindlich, so dass der Rechtsschutz der Verbraucher durch die Entscheidung über diesen Antrag verbessert werden kann. Eine auf ein (Teil-)Anerkenntnis gerichtete Prozesserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.

Auch der 2. Feststellungsantrag enthält ein zulässiges Feststellungsziel, weil sich im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Verbrauchern die Rechtsfrage nach einer anderweitigen Bestimmung des zu berechnenden Zinssatzes des variablen Zinses stellt, wenn dem 1. Feststellungsantrag entsprochen wird. Dabei werden durch den Haupt- und die Hilfsanträge jeweils Möglichkeiten der Bestimmung der Zinshöhe bezeichnet. Das Feststellungsziel ist auch hinreichend bestimmt, weil mit der Bezeichnung des Vertragstyps sowie der Vereinbarung eines variablen Zinses und der dazugehörigen Zinsanpassungsklausel ein konkreter Bezug zu den betroffenen Verträgen hergestellt wird.

Soweit die Beklagte den Antrag für zu unbestimmt hält, verkennt sie, dass die Bestimmung der Parameter für die konkrete Zinshöhe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch die Gerichte erfolgen muss, hinsichtlich derer die vorgeschlagene Bezugnahme auf Referenzzinssätze eine mögliche Herangehensweise bietet, die die Parteien den Gerichten vorschlagen, aber nicht vorschreiben können.

Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für den Feststellungsantrag zu 3., der im Ergebnis zulässig ist.

Zulässig sind auch die Feststellungsanträge zu 5. bis 7., die jeweils Elemente eines Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Verbrauchern enthalten. Der Feststellungsantrag zu 5. ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Zinsansprüche der Verbraucher gerichtet, behandelt also eine Rechtsfrage, die im Rahmen der Forderungsverjährung von erheblicher Bedeutung ist, die wegen der Langfristigkeit der Prämiensparverträge im Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Verbrauchern eine wichtige Rolle spielt. Unerheblich ist, ob die Beklagte bereits in einzelnen Rechtsverhältnissen die Verjährungseinrede erhoben hat, weil sie diese jederzeit erheben kann und schon diese Möglichkeit das Interesse der Verbraucher an einer gerichtlichen Feststellung begründet. Zu den im Musterfeststellungsverfahren feststellungsfähigen rechtlichen Voraussetzungen für das Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen gehören auch rechtsvernichtende Einwendungen wie die Verjährung und die Verwirkung. Ob deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen vorliegen, ist für die klagenden Verbraucher von der gleichen Bedeutung wie das Bestehen des Anspruches. Bestehende Unsicherheiten können hier durch die zu treffende Feststellung beseitigt werden. Die notwendige Bestimmtheit des Antrages ergibt sich aus der Bezeichnung der Verträge im Feststellungstenor.

Auch das 6. und das 7. Feststellungsziel sind zulässig, weil sie jeweils möglicherweise entscheidungserhebliche Elemente des Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Verbrauchern im Hinblick auf die rechtsvernichtende Einrede oder Einwendung der Verjährung bzw. Verwirkung betreffen.

Unzulässig ist aber der 4. Feststellungsantrag, weil ihm die Konnexität fehlt. Er ist auf eine konkrete Zinsberechnung durch die Beklagte in einem Einzelfall gerichtet und damit auf eine Frage, welche einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich ist. Nicht als Feststellungsziel geeignet sind nämlich solche Fragen, die nur individuell entschieden werden können und nicht bei den Ansprüchen der Verbraucher gleichermaßen bedeutsam sind (vgl. Stadler, a.a.O., § 606 Rn. 12). Es geht um die Klärung grundsätzlicher, in einer Vielzahl von Fällen wiederkehrender tatsächlicher und rechtlicher Fragen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2019, VI ZB 59/18, NJW 2020, 341 Rn. 14). Die Einzelfallprüfung der richtigen Zinsberechnung kann nicht Gegenstand des Musterfeststellungsverfahrens, sondern nur diejenige eines Individualklageverfahrens sein. Nach Sinn und Zweck der Musterfeststellungsklage sind nur solche Tatsachen und Rechtsfragen feststellungsfähig, die verallgemeinerbar sind. Zu diesen zählt nicht der individuelle Anspruch des einzelnen Verbrauchers gegen die Beklagte, der im Musterfeststellungsverfahren weder als Leistungs- noch als Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten verfolgt werden kann. An der fehlenden Konnexität ändert sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dadurch etwas, dass die Beklagte zu den Parametern der Zinsanpassung vorgetragen hat. Eine möglicherweise als sachgerecht angesehene generalisierende Stellungnahme zu häufig vorkommenden Geschehnissen führt nicht dazu, dass die als notwendig individuell vorzunehmende Zinsanpassung in den einzelnen Vertragsverhältnissen generalisierbar ist. Eine zwingende Notwendigkeit, bei allen von der Musterfeststellungsklage betroffenen Verfahren insoweit einheitlich zu verfahren, wird auch von dem Kläger nicht substantiiert dargelegt.

3. Der Kläger hat i.S.v. § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass von den Feststellungszielen des Hauptantrages die Ansprüche von mindestens 10 Verbrauchern abhängen. Er hat dargelegt, dass es sich bei den 27 in der Klageschrift benannten natürlichen Personen um Verbraucher i.S.v. §§ 29c Abs. 2, 606 Abs. 1 S. 1 ZPO handelt. Der Senat legt dabei zugrunde, dass der Verbraucherbegriff unter Heranziehung von § 29c Abs. 2 ZPO prozessual zu definieren ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.11.2018, 4 MK 1/18, BeckRS 2018, 30499 Rn. 13; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 29c Rn. 6a). Es kommt also darauf an, dass die betroffene natürliche Person bei der Begründung des Anspruches bzw. des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat. Diese Voraussetzungen sind bei den hier in Streit stehenden und der privaten Vermögensbildung dienenden Sparverträgen erfüllt. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass die in der Klageschrift genannten natürlichen Personen in 10 teilweise von einer Personenmehrheit mit der Beklagten einen Sparvertrag „S-Prämiensparen flexibel“ mit der Formulierung bei der Zinsanpassungsklausel „Die Spareinlage wird variabel, zur Zt. mit ...% p.a. verzinst.“ geschlossen hat.

4. Es haben bis zum Stichtag am 9.12.2020, und damit innerhalb von 2 Monaten nach der öffentlichen Bekanntmachung der Musterklage im Klageregister des Bundesamtes für Justiz gemäß § 607 Abs. 1 ZPO am 09.10.2020 ausweislich des vom Bundesamt für Justiz übersandten Auszuges vom 13.01.2021 nach § 609 Abs. 5 S. 1 ZPO 303 Verbraucher ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet. Nach Übermittlung des Auszuges an die Parteien gemäß § 609 Abs. 5 S. 2 ZPO haben diese Einwände nicht erhoben.

B.

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die streitgegenständlichen Prämiensparverträge sind nicht als Darlehensverträge, sondern als unregelmäßige Verwahrungsverträge gemäß § 700 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen, weil sie für die Verbraucher nicht die für den Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 S. 1 BGB typische Pflicht des Darlehensgebers enthalten, dem Darlehensnehmer den Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18, NJW 2019, 2920 Rn. 26). Die Prämiensparverträge gehen zwar davon aus, dass die Verbraucher die in ihnen geregelten Sparbeiträge erbringen werden, enthalten aber keinen durchsetzbaren Anspruch der Beklagten auf Zahlung dieser Sparbeiträge. Zwar bleibt die Nichtzahlung der Sparbeiträge durch die Verbraucher nicht völlig sanktionslos, denn die Prämiensparverträge sehen vor, dass der Sparvertrag beendet wird, wenn die Sparbeiträge nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit, spätestens bis zum Ende des Sparjahres, nachgeholt werden. Auch aus dieser Regelung der Prämiensparverträge ergibt sich aber kein durchsetzbarer Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Sparbeiträge durch die Verbraucher, so dass sie nicht als Darlehensverträge, sondern als unregelmäßige Verwahrungsverträge zu qualifizieren sind (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21.11.2019, 8 U 1770/18, NJW 2020, 620 Rn. 16). Auf die Prämiensparverträge als unregelmäßige Verwahrungsverträge finden allerdings gemäß § 700 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorschriften über den Darlehensvertrag Anwendung, weil es um die Überlassung von Geld geht, wobei die Regelungen zum Kündigungsrecht aus §§ 488 Abs. 3, 489 BGB nicht anwendbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, a.a.O. Rn. 40).

1. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte hat mit den Verbrauchern einen variablen Zinssatz vereinbart, indem sie die Formulierung „Die Spareinlage wird variabel, zur Zt. mit ...% p.a. verzinst.“ verwendet hat. Die Regelung ist insoweit wirksam, was vom Klageantrag zu 1. auch nicht in Frage gestellt wird, als darin ein variabler Zins und der anfängliche Vertragszins für die Prämiensparverträge vereinbart werden, weil dies eine gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Klauselkontrolle nicht unterliegende Preisregelung der Parteien ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 16 f.; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 16). Unwirksam ist aber die von der Beklagten formularmäßig gegenüber den Verbrauchern verwendete Zinsanpassungsklausel, welche der Beklagten hinsichtlich der Bestimmung des variablen Zinssatzes ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB gewährt, weil diese nur dann der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhält, wenn sie für die Verbraucher ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist, was hinsichtlich der von der Beklagten verwendeten Zinsanpassungsklausel, welche ihr die nicht näher begrenzte Befugnis einräumt, den Verbrauchern den jeweiligen durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu zahlen, nicht zutrifft (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2004, XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588 f.; Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 12 f.; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 15; Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 508/15, NJW-RR 2017, 942 Rn. 18). Die vom Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen sowie von der für die Beklagte zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Veröffentlichung vom 17.2.2020) vertretene Rechtsauffassung teilt der Senat (so bereits Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 53 f.; ebenso OLG Köln, Urteil vom 18.06.2014, 13 U 27/06, BeckRS 2014, 12544). Diese Rechtsprechung ist auch auf Verträge zu übertragen, die zu einem Zeitpunkt geschlossen worden waren, zu dem die Entscheidung weder verkündet noch vorhersehbar war.

Nicht die Rechtslage hat sich nämlich dadurch geändert, sondern lediglich deren, für die Beklagte allerdings wirtschaftlich nachteilige, Konkretisierung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt ist. Diese betrifft auch kein zum Zeitpunkt der Vereinbarungen nicht geltendes Recht, zumal der Inhalt von § 308 Nr. 4 BGB dem Inhalt von § 10 Nr. 4 AGBG entspricht. Die der Vereinbarung einer Klausel nachfolgende Erkenntnis über deren Unwirksamkeit führt nicht dazu, dass die Folgen dieser Erkenntnis erst nach dem Zeitpunkt der Entscheidung zur Anwendung kommen. Vielmehr war die Klausel von Vertragsbeginn an nicht anzuwenden.

2. In Bezug auf den Feststellungsantrag zu 2. kann nicht der Hauptantrag festgestellt werden, sondern lediglich der 2. Hilfsantrag. Der Kläger nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass Folge der oben dargestellten Rechtslage, nämlich der Wirksamkeit der Variabilität des Zinssatzes einerseits und der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsregelung andererseits, eine Lücke der vertraglichen Regelung ist, welche durch das angerufene Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2008, XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rn. 18; Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 18). Entscheidend ist danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Zinsänderungsklausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre, wobei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten nach § 315 Abs. 1 BGB ebenso wenig in Betracht kommt wie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Verbraucher nach § 316 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010, XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742 Rn. 18 f.). Nach diesen Kriterien hat das Gericht die Zinsanpassung auf der Grundlage dessen zu bestimmen, was die redlichen Vertragsparteien im Zuge ihrer zum Vertragsschluss führenden Verhandlungen vereinbart hätten, wenn sie den Punkt konkret als regelungsbedürftig bedacht hätten, wobei sämtliche zum Vertragsschluss führenden Aspekte einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2005, VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996 Rn. 35; Urteil vom 29.01.2020, VIII ZR 75/19, BeckRS 2020, 2768 Rn. 68). Ausgangspunkt der ergänzenden Regelung ist der abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des „wirklich Gewollten her weitergedacht“ werden muss (vgl. Roth in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Update Stand 08.03.2021, § 157 Rn. 31). Aus den genannten Kriterien für die ergänzende Vertragsauslegung ergibt sich, dass dies nicht im Zuge des Feststellungsziels einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle von der Beklagten im Zeitraum der Verwendung der Zinsanpassungsklausel festgestellt werden kann, weil jeweils Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung der konkret geschlossene Vertrag ist, welcher sich in Bezug auf das Abschlussdatum und die konkreten Umstände, innerhalb deren der Vertrag geschlossen wurde, von anderen Verträgen mit derselben Zinsanpassungsklausel unterscheidet.

Maßgeblich ist weiter, dass sich innerhalb des genannten Zeitraums im deutschen Finanzsystem wesentliche Veränderungen ereigneten, etwa der Euro zum 01.01.1999 als Buchgeld und zum 01.01.2002 als Bargeld eingeführt wurde und es zur Überleitung wesentlicher Referenzzinssätze, etwa des Diskont- und Lombardsatzes und des FIBOR, kam. Im Zuge dessen kam es auch zum Auslaufen der früheren Bundesbank-Zinsstatistik im Juni 2003 und zur Einführung der MFI-Zinsstatistik, die nach einheitlicher Methode in den Ländern des Euroraumes erhoben wird. Die Beklagte hat die Vielgestaltigkeit der vertriebenen vordergründig gleichartigen Produkte aufgezeigt. Dies steht der Annahme entgegen, in Bezug auf sämtliche Prämiensparverträge, welche innerhalb des genannten Zeitraums geschlossen wurden, ergebe die nach den oben genannten Kriterien durchzuführende ergänzende Vertragsanpassung die Anknüpfung der zu ermittelnden Zinsanpassungsregelung an denselben Referenzzins.

Zudem ist es dem Senat im Rahmen des vorliegenden Musterfeststellungsverfahrens nicht möglich, eine Feststellung dahin zu treffen, dass sämtliche Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, über den gesamten Zeitraum, in dem die Zinsanpassungsklausel von der Beklagten verwendet wurde, insgesamt wortgleiche Verträge ohne jegliche individuelle Zusatzabrede abgeschlossen haben, so dass nicht festgestellt werden kann, ob in jedem Einzelfall von demselben Vertragswerk ausgehend die ergänzende Vertragsauslegung des einzelnen Verbrauchervertrages erfolgen kann. Das Verfahren der Musterfeststellungsklage beteiligt die ihre Ansprüche anmeldenden Verbraucher nicht als Parteien des Rechtsstreits und ist nicht auf die Feststellungen einzelner Vertragsverhältnisse, sondern auf die Klärung grundsätzlicher, in einer Vielzahl von Fällen wiederkehrender tatsächlicher und rechtlicher Fragen ausgerichtet. Im Ergebnis kann die ergänzende Vertragsauslegung nicht verallgemeinerbar für sämtliche vom Musterfeststellungsverfahren betroffenen Verbraucher festgestellt werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 60).

Aufgrund der fehlenden Generalisierbarkeit der ergänzenden Vertragsauslegung ist auch der 1. Hilfsantrag zum 2. Feststellungsantrag unbegründet, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass in einzelne Verträge der Beklagten mit den Verbrauchern Aspekte eingeflossen sind, die ein verbindliches Zurückgreifen auf einen Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank für alle von der Musterfeststellungsklage betroffenen Verträge verbieten. Allein aus der Vereinbarung der im Feststellungsantrag zu 1. genannten Klausel ergibt sich das nicht mit der für eine Feststellung im Rahmen der Musterfeststellungsklage erforderlichen Sicherheit (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 61).

Das 2. Feststellungsziel ist jedoch mit dem 2. Hilfsantrag, der auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommt, begründet. Die begehrte Feststellung ist generalisierbar und auf alle denkbaren Vertragsgestaltungen anwendbar. Nach Maßgabe der dort genannten Grundsätze kann der jeweilige Zinssatz im Einzelfall im Wege der ergänzenden Auslegung des konkreten Prämiensparvertrages bestimmt werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 62).

Aus der von der Beklagten herausgestellten Vielgestaltigkeit der Verträge gerade auch im Hinblick auf deren zu erwartende Laufzeit, die auch von dem Kläger nicht hinreichend substantiiert widerlegt wird, folgt ergänzend, dass eine für alle von der Feststellungswirkung des Urteils betroffenen Verbraucherverträge getroffene Festlegung allein auf der Basis der Bestimmung durch Ziffer 1 des Tenors auf einen einheitlichen Referenzzinssatz ausgeschlossen ist.

3. In Bezug auf den Feststellungsantrag zu 3. ist die Klage teilweise begründet, denn es war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung aufgrund des nach dem Feststellungsziel zu 2. zu ermittelnden Referenzzinssatzes monatlich vorzunehmen, während nicht festgestellt werden konnte, dass dabei das relative Verhältnis zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz zum gleitenden Durchschnitt des nach dem Feststellungsziel zu 2. ermittelten Referenzzinssatzes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewahrt bleibt.

Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung kann zugrunde gelegt werden, das verständige Parteien, welche eine indexabhängige Zinsanpassung begehren, einen Anpassungszeitraum wählen werden, der ihnen eine möglichst genaue Anpassung ohne zeitliche Verzögerung ermöglicht. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Parteien, wenn sie das Problem der erforderlichen Anpassungsintervalle bedacht hätten, das Modell mit der größten Genauigkeit, das aber zudem auch noch im Verwaltungsaufwand beherrschbar ist, gewählt hätten, welches die monatliche Anpassung ist. Soweit die Beklagte die quartalsweise Anpassung für die sachgerechte Variante hält, fehlt es an einem hinreichend klaren Vortrag dazu, welche Nachteile sie durch die Verwaltung der monatlichen Anpassung erleidet. Inwieweit ein längeres oder kürzeres Anpassungsintervall Ungenauigkeiten bei der Zinsanpassung hervorruft, kann nicht als Abwägungskriterium herangezogen werden, weil sich der Vorteil bzw. Nachteil der Ungenauigkeit für die eine oder andere Vertragspartei nicht im Vorhinein bestimmen lässt. Praktische Probleme bei der Zinsberechnung auf der Grundlage monatlich angepasster Zinsen sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass bei den Sparbeiträgen jeweils ein monatliches Zahlungsintervall vereinbart wurde (Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 70 ff.).

Dagegen ist es dem Senat im Rahmen des vorliegenden Musterfeststellungsverfahrens verwehrt, eine Feststellung zur konkreten Methode der Zinsberechnung zu treffen, weil diese Teil der ergänzenden Vertragsauslegung ist, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht generalisierbar ist. Die vom Feststellungsantrag zu 3. umfasste Feststellung in Bezug auf das Äquivalenzgefüge kann deshalb vom Senat nicht getroffen werden (ebenso schon Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 73). Die Beklagte verweist insoweit zu Recht auf die Vielgestaltigkeit der abgeschlossenen Individualverträge mit unterschiedlichen Vorgängerinstituten der Beklagten. Auf den Zeitpunkt, zu dem die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem ersten Feststellungsantrag bei Neuverträgen umgesetzt wurde, kommt es nicht an, weil die Feststellungen alleine die Verträge betreffen, die die in Ziffer 1 des Tenors bezeichnete unwirksame Formulierung enthalten.

4. Der Antrag zu 5. auf Feststellung, dass der vertragliche Anspruch der Verbraucher in Bezug auf das Guthaben aus den Prämiensparverträgen einschließlich der nach den Feststellungszielen zu 2. und zu 3. zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrages fällig wird, ist begründet.

Die Zinsansprüche werden erst mit der Beendigung des Prämiensparvertrages, gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches auf das Kapital fällig, wenn - wie hier in Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr - vertraglich vereinbart ist, dass die Zinsen zum Jahresende dem Kapital zugeschlagen werden und damit vereinbarungsgemäß als umgewandelt anzusehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 04.06.2002, XI ZR 361/01, NJW 2002, 2707, 2708; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 20.08.1997, 23 U 166/96, NJW 1998, 997, 999; OLG Köln, Urteil vom 16.01.2008, 13 U 27/06, BeckRS 2011, 3039; Senatsurteil vom 22.04.2020, 5 MK 1/19, BeckRS 2020, 6640 Rn. 89; OLG Dresden, Urteil vom 14.05.2020, 8 U 538/19; Schürmann/Langner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., Kap. 14 § 70 Rn. 31).

5. Die mit dem Antrag zu 6. begehrte Feststellung war unabhängig davon nicht zu treffen, dass die jeweilige Verjährung erst mit der jeweiligen Kündigung der Sparverträge in Lauf gesetzt wird.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1, 2 BGB voraus, dass der jeweilige Verbraucher die seinen Anspruch auslösenden tatsächlichen Umstände kannte bzw. sich der Kenntnis der Umstände nicht verschließen konnte. Im Allgemeinen liegt die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von den Tatsachen, die den jeweiligen Anspruch begründen, bereits dann vor, wenn dem Rechtsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Der Einzelne muss weder alle bedeutenden Umstände kennen noch bereits über hinreichende Beweismittel verfügen, um den Prozess im Wesentlichen sicher führen zu können. Maßgeblich ist die Kenntnis von den Tatsachen, die das Verfolgen der Ansprüche ermöglicht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2008, XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27; Senatsurteil vom 09.09.2015, 5 U 421/15, WM 2015, 2280). Nach diesen Kriterien kann angenommen werden, dass die Verbraucher spätestens Ende Mai desjenigen Jahres, in dem die Gutschrift im Sparbuch vorgenommen wurde, Kenntnis von der Zinsgutschrift und damit auch von der Höhe der ihnen gutgeschriebenen Zinsen gehabt haben müssen, weil dem jeweiligen Verbraucher spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.02.2004 (a.a.O.) die Klageerhebung zumutbar war (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 24.02.2012, 3 U 687/11, BeckRS 2012, 11053).

6. Auch der auf die Feststellung, allein die widerspruchslose Zinsgutschrift im Sparbuch führe nicht dazu, dass das Umstandsmoment für die Verwirkung gegeben ist, gerichtete Feststellungsantrag zu 7. ist unbegründet.

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles, ohne dass insoweit auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, NJW 2018, 1390 Rn. 9).

Nach diesen Kriterien kann das Umstandsmoment für die Verwirkung nicht generalisierend einheitlich für sämtliche vom Musterfeststellungsverfahren erfasste Prämiensparverträge festgestellt werden, denn es geht um das individuelle Verhalten des einzelnen Verbrauchers, welches zudem einer Gesamtwürdigung anhand von festgestellten Tatsachen unterzogen werden muss. Mit dem Feststellungsziel zu 7. wird danach keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage verfolgt, so dass eine Feststellung im Rahmen der Musterfeststellungsklage nicht erfolgen kann.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Bei ihr war zu berücksichtigen, dass jedes Feststellungsziel einen eigenen Streitgegenstand begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2019, VI ZB 59/18, NJW 2020, 341 Rn. 10). Angesichts des Teilerfolgs bei einigen Feststellungsanträgen sowie des teilweisen Durchgreifens und der teilweisen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit der Hilfsanträge, soweit über sie entschieden werden musste, hält der Senat eine Aufhebung der Kosten für gerechtfertigt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 614 S. 2 ZPO).
Daher kommt es nicht darauf an, ob in § 614 S. 2 ZPO die Zulassung der Revision bereits durch den Gesetzgeber erfolgt ist (so: Waclawik NJW 2018, 2923) oder, wofür der Wortlaut des § 543 Abs. 1 ZPO spricht, die Zulässigkeit der Revision dem Rechtsmittelsystem der ZPO entsprechend von ihrer Zulassung abhängig ausgestaltet, es also der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht oder den Bundesgerichtshof bedarf, hinsichtlich derer jedoch gemäß § 614 ZPO ein gebundenes Ermessen besteht.

PD Dr. Dr. Klose

Alberts

Kühn

Bekanntmachung vom 14.01.2021, Oberlandesgerichts Dresden, Termin

Bezeichnung des Termins: Erster Termin

Datum: 31.03.2021

Uhrzeit: 09:30 Uhr

Sitzungsort: Oberlandesgericht Dresden, Prozessgebäude

Raum: Saal 1

Straße, Hausnummer: Hammerweg 26

PLZ, Ort: 01127 Dresden