Zielstellung
Ein wichtiger Teilbereich der Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen ist die Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den Strafregistern der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Hierdurch soll eine wirkungsvolle grenzüberschreitende Verfolgung der Kriminalität gewährleistet werden.
Auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten wurde zum 27. April 2012 das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS – European Criminal Register Information System) errichtet. Der Informationsaustausch unter den angebundenen Strafregistern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt darüber medienbruchfrei elektronisch.
Zur besseren Verständlichkeit der Auskünfte werden diverse Verständnis- und Übersetzungshilfen eingesetzt.
Strafnachrichtenaustausch über ECRIS:
Der Rahmenbeschluss verpflichtet die Mitgliedstaaten, strafgerichtliche Verurteilungen einer Person, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaaten der EU besitzt, dem Herkunftsmitgliedsstaat mitzuteilen (sogenannter Strafnachrichtenaustausch).
Der Herkunftsmitgliedsstaat wiederum ist verpflichtet, alle entsprechend mitgeteilten ausländischen Strafurteile zu speichern und den anderen Mitgliedstaaten der EU auf deren Auskunftsersuchen mitzuteilen. Das Strafregister des Herkunftsstaates eines Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates ist dadurch zentraler Anlaufpunkt für die gesamte EU – hier sollen alle Informationen zu strafrechtlichen Verurteilungen einer Person aus allen Mitgliedstaaten gesammelt und abrufbar sein.
Auskunftsersuchen über ECRIS:
Über ECRIS erfolgt auch der Informationsaustausch aufgrund von Auskunftsersuchen. Sobald eine Auskunft aus dem Strafregister eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, wird dieses Ersuchen über ECRIS elektronisch an die Zentralbehörde des jeweiligen Mitgliedstaates weitergeleitet. Diese übermittelt die Auskünfte ebenfalls elektronisch zurück und hat die Möglichkeit ggf. elektronisch Rückfragen zu stellen.
Für Strafverfahren besteht grundsätzlich eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten die gewünschten Informationen innerhalb von 10 Arbeitstagen ab Eingang des Auskunftsersuchens zu übermitteln.
Bei Auskunftsersuchen, die außerhalb eines Strafverfahrens gestellt werden, entscheidet jeder Mitgliedstaat nach seinem innerstaatlichen Recht, ob er die Auskunft erteilt oder nicht. Die Antwortfrist für die entsprechenden Ersuchen beträgt in jedem Fall 20 Arbeitstage.
Diese Antwortfristen werden von den meisten Staaten deutlich unterschritten. Wie auch Deutschland, haben viele Staaten elektronische Schnittstellen zu ihren Registern geschaffen, so dass Auskünfte häufig innerhalb von wenigen Stunden übermittelt werden.
Sollte der angefragte Mitgliedstaat elektronisch Rückfragen stellen, werden diese wie die Antworten auf Auskunftsersuchen an die auskunftsersuchende Stelle weitergeleitet. Die jeweiligen Hinweise/Fragen müssen dann in einem neuen Auskunftsersuchen beantwortet werden.
Im Rahmen der europäischen Strafregistervernetzung wurde auch das Europäische Führungszeugnis geschaffen.
Was ist ein Europäisches Führungszeugnis?
Deutschland ist über das ECRIS-Verfahren mit allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und mit Großbritannien verbunden.
Brexit:
Seit dem 1. Januar 2021 findet aufgrund der vorläufigen Anwendung des zwischen der EU und Großbritannien ausgehandelten Handels- und Kooperationsabkommens weiterhin ein elektronischer Austausch mit dem Vereinigten Königreich statt.
Britische Staatsbürger erhalten weiterhin ein "Europäisches Führungszeugnis" und Strafregisterauszüge aus Großbritannien können weiterhin über das System (wie Auszüge aus dem BZR) elektronisch angefordert werden.
Übermittlungswege
Das Bundesamt für Justiz – als deutsche Zentralbehörde – hat ECRIS so an das Bundeszentralregister angebunden, dass Auskunftsersuchen deutscher Behörden an die Partnerländer auf demselben Weg erfolgen können, wie Auskunftsersuchen an das Bundeszentralregister selbst. Das Strafregistervernetzungssystem ermöglicht die medienbruchfreie elektronische Übermittlung von Auskunftsersuchen deutscher Stellen an die Strafregister der Partnerstaaten sowie deren medienbruchfreie elektronische Beantwortung. Dies geschieht im Zusammenspiel mit der in Deutschland bereits bestehenden elektronischen Kommunikation der nationalen Behörden mit dem Bundeszentralregister. Das Bundesamt für Justiz fungiert hierbei als Kopfstelle auf der deutschen Seite. Dieser durchgängig elektronische Übermittlungsweg wird grundsätzlich angestrebt und ist mittlerweile für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Großbritannien möglich.
Übergangsweise nimmt die Registerbehörde von auskunftsberechtigten Stellen, mit denen noch keine elektronische Kommunikation zum Bundeszentralregister für Auskunftsersuchen und Auskünfte besteht, Auskunftsersuchen an die bereits im Echtbetrieb befindlichen Partnerregister (s. o.) auch per Briefpost oder Telefax entgegen und speist sie in den elektronischen Datenaustausch mit den Partnerregistern ein. Die zugehörigen Auskünfte werden in diesen Fällen per Telefax an die anfragenden Behörden zurückgeleitet. Bei diesem Übersendungsweg ist Folgendes zu beachten:
Die Auskunftsersuchen sind per Post oder per Telefax zu richten an:
Bundesamt für Justiz
Bundeszentralregister
Internationale Registerangelegenheiten
53094 Bonn
Telefaxnummer: +49 228 410-5603
Zur Identifizierung der betreffenden Person im Register sind die für BZR-Anfragen üblichen Personendaten zu übermitteln. Als Mindestdaten müssen die Anfragen den Geburtsnamen, den Vornamen, das Geburtsdatum und den Geburtsort enthalten.
Der Verwendungszweck der beantragten Auskunft ist anzugeben.
Aus der Anfrage muss sich ergeben, aus welchem der ausländischen Register (ggf. auch mehreren) die Auskunft gewünscht wird.
Die Faxnummer, an die die Antwort übermittelt werden soll, muss mitgeteilt werden.